Caritas und Diakonie fordern schnelle Reformschritte für Pflege

"Auch jede kleine Verbesserung tut jetzt dringend Not"

Die beiden großen Kirchen zählen zu den größten Pflege-Anbietern in Deutschland. Die Chefs ihrer Wohlfahrtsverbände dringen auf eine echte Pflegereform - und erste Änderungen noch vor der Wahl.

Autor/in:
Alexander Riedel
Pflege darf nicht zum Luxusgut werden / © Harald Oppitz (KNA)
Pflege darf nicht zum Luxusgut werden / © Harald Oppitz ( KNA )

Viel Zeit für Verbesserungen in der Pflege bleibt nicht mehr. Im Juni stehen die letzten beiden Sitzungswochen des Bundestags vor der Wahl im September an. Da geben sich auch die Chefs der beiden großen kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie keinen Illusionen mehr hin.

Eine umfassende Pflegereform werde es nicht mehr geben, sie müsse aber nach der Wahl "an oberster Stelle stehen", wie Caritas-Präsident Peter Neher am Freitag sagte. Dennoch bestehe auch jetzt Handlungsbedarf: "Wichtige Schritte können und müssen noch unbedingt in dieser Legislatur eingeleitet werden."

"Tariftreue-Gesetz" gefordert

Neher und Diakonie-Präsident Ulrich Lilie forderten ein deutliches Zeichen für die Pflegebedürftigen und die Pflegenden. "Auch jede kleine Verbesserung tut jetzt dringend Not", sagte Lilie.

Dazu gehörten ein "Tariftreue-Gesetz", das Anbieter zur Zahlung von Tariflöhnen verpflichte, eine fundierte Bemessung des Personalbedarfs und wenigstens eine Übergangslösung gegen die finanzielle Belastung der Pflegebedürftigen. "Denn die Kosten für die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen liegen längst über jeder vertretbaren und vernünftigen Grenze", meinte der Diakonie-Chef.

Pflegebedürftige rutschen oft in Sozialhilfe

Aktuell müssen Heimbewohner im Schnitt monatlich 2.068 Euro zuzahlen. Ihr Anteil steigt seit Jahren, denn bislang werden Lohnsteigerungen für Pflegekräfte auch auf Heimbewohner umgelegt. Immer mehr Pflegebedürftige rutschen deshalb in die Sozialhilfe. "Pflege darf kein Armutsrisiko werden", mahnte Lilie.

Viele Hoffnungen ruhen nun auf einer im Eilverfahren von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an ein bereits laufendes Gesetzesverfahren angehängten Initiative. Sie war zuletzt zwar ins Stocken geraten, könnte aber im Juni noch verabschiedet werden.

Viele private Arbeitgeber gegen Tarifzwang

Die Initiative sieht vor, dass Pflegedienste und -heime vom 1. Juli 2022 an nur noch dann mit der gesetzlichen Pflegeversicherung zusammenarbeiten dürfen, wenn sie ihre Pflegekräfte nach Tarif bezahlen. Außerdem sollen Pflegebedürftige einen neuen Zuschlag aus der Pflegekasse erhalten, um sie vor steigenden finanziellen Eigenbelastungen zu schützen. Zur Finanzierung soll unter anderem der Pflegeversicherungsbeitrag für Kinderlose angehoben werden.

Vor allem viele private Arbeitgeber im Bereich der Pflege wehren sich seit Langem massiv gegen einen Tarifzwang. Andere Kritiker des Gesetzesvorschlags befürchten dagegen, dass auch Unternehmens- oder Haustarifverträge als Standard genommen werden könnten, so dass Pflegekräfte mit geringen Löhnen abgespeist werden.

"Es darf keinen Wettbewerb nach unten geben"

Diakonie-Chef Lilie betonte, dass ein "Tariftreue-Gesetz" alle Tarifverträge berücksichtigen müsse, auch "die guten Tarifverträge, die wir in der Kirche haben", und nicht nur die niedrigsten am jeweiligen Ort. "Es darf keinen Wettbewerb nach unten geben", warnte Lilie. "Wir brauchen jetzt vernünftige tarifliche Regelungen, weil die wirklich auch eine Wettbewerbsgerechtigkeit schaffen."

Ein "Tariftreue-Gesetz" würde den Pflegekräften eine ganz andere Verhandlungsmacht geben, meinte Caritas-Chef Neher. "Sie müssen sich nicht mit Brosamen abfinden, weil der Arbeitgeber sonst Gefahr läuft, dass er die Zulassung verliert." Dabei gehe es in Tariffragen nicht nur um angemessene Löhne, sondern auch um Fragen wie Alterssicherung, Arbeitszeit und Personalausstattung, betonte Neher.

Pandemie hat Probleme deutlich gezeigt

Caritas und Diakonie fordern wie viele andere schon länger eine umfassende Pflegereform: Dazu gehören für sie neben einer Tarifbindung auch attraktivere Arbeitsbedingungen und eine nachhaltige Finanzierung. Die Corona-Pandemie habe einmal mehr gezeigt, wie sehr die Pflege am Limit sei, argumentieren die Verbände. "Das System krankt an vielen Stellen", sagte Neher.

Zur Finanzierung schlagen die beiden kirchlichen Verbände eine Weiterentwicklung der Pflegeversicherung vor. So sollten weitere Einkommensarten einbezogen und die Beitragsbemessungsgrenze angehoben werden, so dass höhere Einkommen stärker herangezogen würden. Auch moderate Beitragssteigerungen und Steuerzuschüsse gehörten zu einem Finanzierungsmix, erklärte Lilie. Er erinnerte daran, dass laut Gesetz die Pflege eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei.


Quelle:
KNA
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