Frauenbund fordert vollständige Umsetzung der Istanbul-Konvention

"Es fehlt der Respekt"

Vor zehn Jahren wurde die "Istanbul-Konvention" zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen unterzeichnet. Aber sie ist in Deutschland noch immer nicht vollständig umgesetzt, beklagt der Katholische Deutsche Frauenbund.

Symbolbild Gewalt an Frauen / © Doidam 10 (shutterstock)
Symbolbild Gewalt an Frauen / © Doidam 10 ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Auch zehn Jahre nach der Unterzeichnung der Konvention des Europarates kommt es immer wieder zu Gewalt gegen Frauen. In der Pandemie hat sich die Situation zugespitzt. Was läuft da falsch?

Ute Hücker (Katholischer Deutscher Frauenbund / KDFB): Es gibt ein grundlegendes Recht von Frauen auf ein Leben ohne Gewalt. Das scheint aber in den vergangenen zehn Jahren nicht bei allen Ländern und auch nicht bei allen Männern angekommen zu sein. Viel zu viele sehen Frauen immer noch als Menschen zweiter Klasse. Sie meinen, sie könnten Frauen anders behandeln, nur weil sie ein anderes Geschlecht haben. Es fehlt also an Wertschätzung und Respekt Frauen gegenüber.

Das ist ein völlig falscher Ansatz, der in keiner Weise haltbar und tragbar ist. Frauen und Männer sind gleich an Wert und Würde. Das steht in den meisten Ländern und natürlich auch bei uns in Deutschland im Grundgesetz festgeschrieben. Frauen sind Subjekte, nicht Objekte.

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt Gewalt gegen Frauen im Netz?

Hücker: Eine große Rolle. Wir stellen fest, dass die weiter zunimmt. Es werden immer mehr Frauen mit Hassattacken konfrontiert - seien es Politikerinnen, Aktivistinnen, Sportlerinnen, ganz normale Frauen, die frei ihre Meinung äußern. Wir stellen auch fest, dass dieser Frauenhass im Netz, dieser Anti-Feminismus, auch dazu beiträgt, unsere Demokratie zu schwächen. Gerade diese digitale Gewalt, die sich so breit macht, ist eine sehr verletzende, eine verbal gewalttätige Attacke gegen Frauen.

DOMRADIO.DE: Zum ersten Juli tritt die Türkei aus der Istanbul-Konvention aus. Was bedeutet das, gerade auch für die vielen türkischstämmigen Frauen in Deutschland?  

Hücker: Das bedeutet, dass Frauen weniger Schutz haben, dass sie in ihren Rechten beschnitten sind und dass alte Rollenmuster wieder greifen. Es bedeutet weiter, dass Frauen nicht mehr als ebenbürtig erachtet werden und dass sie aufgrund ihres Geschlechtes scheinbar minderwertig und freier verfügbar sind. Das ist eine schlimme Entwicklung. Wir können nur hoffen, dass sich die Türkei das bis zum 1. Juli noch einmal überlegt, dass Staatschef Erdogan zur Besinnung kommt und doch nicht aus der Konvention austritt.

DOMRADIO.DE: Der Katholische Deutsche Frauenbund beklagt, dass die Istanbul-Konvention auch hier bei uns noch immer nicht vollständig umgesetzt ist. Was fordern Sie am dringendsten, damit sich das ändert?

Hücker: Als katholischer Frauenverband fordern wir, dass der Schutz vor Gewalt oberste Priorität haben muss und dass alle politischen Verantwortlichen das tatsächlich auch umsetzen. Es geht letztlich um einen respektvollen Umgang mit Frauen, um Wertschätzung und Anerkennung ihrer Person, ihres Berufes und ihrer Lebenssituation. Es geht um die Anerkennung als gleichberechtigte Person.

Und ich verweise noch einmal auf unser Grundgesetz, wo alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Das gilt für Frauen und Männer. Wir fordern, dass Benachteiligung von Frauen, dass Gewalt gegen Frauen - egal ob körperlicher, seelischer oder digitaler Natur - als Straftaten geahndet werden. Dass solche Taten im Strafgesetzbuch festgeschrieben werden und dass damit verhindert wird, dass Frauen zum Spielball von Aggressionen oder Fantasien werden.

Denn solche Taten stehen einem gleichberechtigten, würdevollen, respektvollen Miteinander entgegen. Es fehlt die Wertschätzung, es fehlt der Respekt, es fehlt ein friedvolles Miteinander.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Ute Hücker / © Melanie Trimborn (DR)
Ute Hücker / © Melanie Trimborn ( DR )
Quelle:
DR