1871 war Darwins Buch über den Menschen eine Provokation

Anstoß für Debatte über die Autorität der Bibel

Er wurde als Affe geschmäht. Dem Naturforscher Charles Darwin war bewusst, dass seine neue Theorie viele Menschen kränken würde. Vor 150 Jahren erschien sein umstrittenes zweites Hauptwerk.

Autor/in:
Christoph Arens
Charles Darwin / © akg-images GmbH (epd)
Charles Darwin / © akg-images GmbH ( epd )

Er war der Revolutionär, der den Menschen vom Thron der Schöpfung stieß. Charles Darwin (1809-1882), studierter anglikanischer Theologe und beinahe Landpfarrer, brachte die Stützpfeiler des biblischen Schöpfungsglaubens zum Einstürzen. Seit Darwin muss der Mensch als Tier gesehen werden - wenn auch in Sonderstellung. An diesem Mittwoch vor 150 Jahren, am 24. Februar 1871, erschien sein zweites Hauptwerk: "Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl".

Bereits in seinem 1859 erschienenen Werk über die "Entstehung der Arten" hatte Darwin die Vorstellung widerlegt, dass Gott alle Arten auf einmal und unveränderlich geschaffen hatte. Fünf Jahre, von 1831 bis 1836, hatte er auf dem Forschungsschiff Beagle die Welt bereist, Tiere und Pflanzen analysiert und die Mechanismen der Evolution erkannt.

In seiner Theorie beschreibt der Naturforscher Variation und Auslese als grundlegende Prinzipien des Lebens: Im Kampf um Nahrung und Lebensraum kann nur überleben, wer am besten an seine Umwelt angepasst ist - was keinesfalls immer für die Größten und Stärksten gilt.

Diese Selektion führt über Generationen hinweg zu einer Veränderung der Arten. Ein Paukenschlag, der auch zu einer erbittert geführten Debatte über die Autorität der Bibel führte - ein Streit, der heute noch in den USA zwischen Kreationisten und Naturwissenschaftlern und im Konflikt um den Biologie-Unterricht fortbesteht.

Nicht Krone der Schöpfung, sondern Teil der Natur

In seinem Erstlingswerk scheute sich Darwin, diese Lehre auch auf den Menschen anzuwenden - wohl wissend, wieviel Widerstand er auslösen würde. In "Die Entstehung der Arten" deutete er lediglich an, dass er auch den Menschen nicht als Krone der Schöpfung, sondern als Teil der Natur sah. Erst zwölf Jahre später wagte Darwin, diese Erkenntnis in einem zweibändigen Werk darzulegen.

Dieses Werk handelt vor allem davon, was den Menschen vom Tier unterscheidet und wo Ähnlichkeiten bestehen. Darwin äußert im ersten Abschnitt die Vermutung, dass sich der Mensch in Afrika entwickelt habe. Er legt dar, dass sich seine intellektuellen und moralischen Fähigkeiten erst über einen langen Zeitraum entwickelten - also nicht beim Schöpfungsakt im Paradies.

Der Brite wendet sich auch dagegen, die Rassen des Menschen als unterschiedliche Arten aufzufassen. Im zweiten Teil beschreibt Darwin den Mechanismus der sexuellen Auswahl - zunächst anhand von Insekten, Fischen, Amphibien, Vögeln und Säugetieren. Im dritten Teil geht es dann um das Wirken der sexuellen Auswahl auf die Entwicklung des Menschen.

"Der Unterschied zwischen Mensch und Tier ist nur graduell, nicht grundsätzlich", schreibt er. Dennoch verliert der Mensch damit nicht die Sonderstellung in der Natur. Für Darwin ist der Mensch «das dominanteste Tier, das je auf der Erde erschienen ist». Denn er verfügt über gesteigerte geistige Fähigkeiten, eine verbale Sprache und Moralfähigkeit.

Umwelt wesentlich durch Vorlieben der Weibchen geformt

Das bedeutet nach den Worten der Tübinger Darwin-Expertin Eve-Marie Engels auch: Wenn sich die Lebensbedingungen ändern, muss der Mensch sich kein dickes Fell wachsen lassen, keine Klauen, keine Reißzähne. Die intellektuellen Fähigkeiten, die kulturellen Gewohnheiten und die Techniken erlauben ihm, sich an die Natur anzupassen.

Auch moralischer Sinn und religiöse Vorstellungen sind laut Darwin Produkt der Evolution. Allein der Mensch ist in der Lage, sein Handeln an moralischen Prinzipien und Normen zu orientieren. "Es ist die edelste aller Eigenschaften des Menschen, die ihn dazu führt, ohne einen Augenblick zu zögern, sein Leben für das eines Mitgeschöpfes zu opfern", schreibt Darwin.

Mit Blick auf die sexuelle Selektion unterstreicht der Naturforscher, dass Menschen und Tiere Merkmale aufweisen, die bei der Partnersuche von Bedeutung sind, aber keinen erkennbaren Wert für das Überleben haben, vielleicht sogar eher hinderlich dafür sind: Das gilt etwa für riesige Hirschgeweihe ebenso wie für auffällige Pfauenfedern oder menschliche Schönheitsideale. Darwin nennt die zwei evolutionären Kräfte die "Männerkonkurrenz" und die "Damenwahl". Er folgert, dass die Umwelt wesentlich durch die Vorlieben der Weibchen geformt werde. Denn sie sind diejenigen, die ihre Partner mit Bedacht erwählen.


Quelle:
KNA
Mehr zum Thema