Über Neujahrsvorsätze in Pandemiezeiten

Planen oder doch lieber erst mal warten?

Immer zu Silvester beschließen viele, ein neuer Mensch zu werden. Doch die guten Vorsätze lösen sich schnell in Luft auf. Brauchen wir sie in Pandemie-Zeiten jetzt erst recht? Ein Blick auf einen besonderen Jahreswechsel.

Symbolbild: Gute Vorsätze / © gopixa (shutterstock)

Alles auf Anfang: Als wäre unser Leben ein Computerspiel, bei dem man nur die Reset-Taste drücken muss, um von vorne beginnen zu können, um das nächste Mal ein Level weiterzukommen: So geht es uns auch ein wenig mit Neujahr und den guten Vorsätzen. Weniger Geld ausgeben, sich mehr körperlich verausgaben, mehr Zeit für sich selbst und die Freunde haben - all das waren noch Dinge, die wir sicher angepackt hätten, wenn uns nicht Corona das Heft aus der Hand genommen hätte.

Macht Pläne schmieden überhaupt Sinn?

Lohnt es sich unter solchen Ausnahmebedingungen überhaupt, an diesem Jahreswechsel Pläne zu schmieden? Oder ist es besser, erst einmal alles in Ruhe auf sich zukommen zu lassen? Wenn Corona sowieso auch das nächste Jahr über mehr oder weniger unseren Bewegungs- und Handlungsspielraum bestimmt, es aber zur Erfüllung guter Vorsätze vor allem Selbstbestimmung braucht, geraten wir in einen Zielkonflikt.

Der liegt dann vor, wenn mindestens zwei Ziele verfolgt werden, die miteinander unvereinbar sind.

In Krisenzeiten solchen Ausmaßes spalten sich die Leidtragenden grob gesprochen in zwei Lager: Die einen setzen auf altbewährte Formen und Rituale, weil man sich im Vertrauten geborgen fühlt und sich an etwas festhalten kann. Die anderen wittern die Chance für einen radikalen Neuanfang nach dem Motto: Wenn nach der Pandemie sowieso nichts mehr so sein wird wie bisher, warum dann nicht versuchen, die Welle zu reiten, die auf uns zukommt?

Asketische Vorsätze lassen sich am besten nach einem fünfgängigen Festtagsmenü fassen. Wenn Kostüm und Weste wegen der vielen süßen Plätzchen spannen, gelobt man gerne, fortan mehr zu joggen. In unserem saturierten Wohlleben kann ein guter Vorsatz also nur eine Verringerung von etwas sein. Kein Mensch mit klarem Verstand wird verkünden: "Ich habe vor, im nächsten Jahr mehr zu rauchen", weil er diese Sucht gut findet.

Nun aber hat uns Corona ja bereits zu einer Diminution unseres Lebensstils geführt. Wir können nur noch unter schwierigen Umständen verreisen; die Fitnessstudios, Restaurants, Clubs und Bars sind weiterhin geschlossen. Wo können wir also noch downgraden in Zeiten des Shutdowns?

Natürlich ließe sich der Zeitgewinn effektiv nutzen, der einem durch Corona beschert wird. Wer im Homeoffice arbeitet, spart sich die langen Wege ins Büro. In dieser Zeit könnte er ein paarmal um den Block laufen und dabei mit dem Kopfhörer eine Fremdsprache lernen. Aber um die dazu nötige Motivation aufzubringen, braucht es das Gefühl, dass wir in naher Zeit wieder sorglos andere Länder besuchen werden.

Gute Vorsätze können nicht schaden

Viel interessanter wäre es aber doch, nun andere gute Vorsätze zu treffen - statt den üblichen Jahresend-Ankündigungen. Corona hat uns gelehrt, wieder die alten und kranken Menschen stärker in den Blick zu nehmen. Eine Gesellschaft hat sich mehrheitlich entschlossen, das öffentliche Leben herunterzufahren, um diese Risikogruppe zu schützen. Da ist es eigentlich nur ein kleiner Schritt, dass wir uns auch nach dem Ende der Pandemie um einen betagten Nachbarn kümmern, ihm vom Einkaufen etwas mitbringen oder mit ihm vor die Tür gehen.

Gute Vorsätze können durchaus altruistischer Natur sein und müssen nicht - wie es bei den Silvestergelöbnissen meist der Fall ist - um das eigene Ich kreisen.

Zum Jahreswechsel keine guten Vorsätze zu haben, ist in einem Jahr der Beschränkung keine gute Idee. Wer das tut, wird unweigerlich zu Treibholz auf der Welle der Pandemie und verliert auch noch die wenige Gestaltungsmacht, die ihm sein letzter Freiraum vergönnt.

Allerdings gibt es auch Meister des Müßiggangs, die damit gar nicht so schlecht fahren. Sie halten es vielleicht mit dem amerikanischen Journalisten, Goldgräber und Warenhausbesitzer Prentice Mulford: "Wer sich keinen Rat in einer Lage oder einer Unternehmung weiß, der warte und denke und tue nichts. Das Wollen und der Vorsatz werden deshalb umso stärker. So sammelt und speichert man Kräfte, die von überall her strömen, als Einfall, Inspiration, Zufall oder Gelegenheit."


Quelle:
KNA