Schaustellerin bekommt in der Pandemie viel Trost

"Ich habe geweint wegen der ganzen Nächstenliebe"

Schausteller sind hart von der Corona-Krise getroffen. Keine Straßenfeste, keine Kirmes, kein Weihnachtsmarkt. Autoscooter-Besitzerin Jenny Weber kann nicht mal groß Weihnachten feiern. Aber sie wird aufgefangen von der Solidarität der Menschen.

Schaustellerbetriebe sind die großen Verlierer der Pandemie / © Jens Büttner (dpa)
Schaustellerbetriebe sind die großen Verlierer der Pandemie / © Jens Büttner ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie würde denn normalerweise ohne Corona so ein Weihnachtsfest für Sie aussehen?

Jenny Weber (Schaustellerin): Da würde die ganze Familie am Tisch sitzen. Wir sind mit allen drum und dran, mit allen Kindern, mit allen Erwachsenen, so um die 15 Personen. Die würden dann alle zu mir nach Hause kommen, sind inzwischen ausgezogen aber kommen an Heiligabend immer zurück zum Elternhaus.

DOMRADIO.DE: Und das sah in diesem Jahr natürlich ein bisschen anders aus.

Weber: Ja, wir waren dieses Jahr nur fünf am Tisch. Wirklich nur der engste Familienkreis. Das war ich, meine zwei Töchter, mein Mann und mein Schwiegersohn. Und ja, die Hunde. Sonst keiner.

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie das so empfunden? Es ist ja für uns alle jetzt ein ungewöhnliches Fest gewesen. Die einen sagen, es ist schwierig, auf das zu verzichten. Die anderen freuen sich über diese neue Besinnlichkeit.

Weber: Ja, es ist ein komisches Weihnachten, das ist ein ganz anderes. Es ist viel kompakter, es ist viel emotionaler. Ich glaube, man weiß eigentlich, was man hat. Man empfindet es ganz anders. Ich kann es gar nicht in Worte fassen. Ich war froh, dass wir gestern zu fünft zusammen waren. Wir haben natürlich unsere Familien angerufen, die wir auch sehr vermissen, weil wir nicht zusammen sind, weil es mal ein ganz anderes Weihnachten war. Aber man ist auch dankbar für das, was man noch hat. Denn es ist jetzt so, wir haben jetzt keinen verloren durch die Krankheit oder auch keinen, der jetzt sehr krank ist durch dieses Virus. Es war insgesamt emotionaler.

DOMRADIO.DE: Es ist natürlich ein schwieriges Jahr für Sie gewesen, da ihre Arbeit als Schaustellerin kaum möglich war. Normalerweise hätten Sie ja bis zum 23.12. auch noch hier vor dem Dom auf dem Weihnachtsmarkt gestanden.

Weber: Ja, das Jahr war eine Katastrophe, eine Totalkatastrophe. Wir haben auch gestern Abend an ganz viele Kollegen gedacht, denen das Wasser wirklich bis über den Kopf steht. Ich meine, uns geht es so einigermaßen, wir schwimmen so durch. Es ist eine Katastrophe finanziell. Die Sorgen, ob sie überhaupt nächstes Jahr weitergeht. Wie es dann weitergeht. Und ich will gar nicht wissen, wie viele gestern zu Hause waren, die wirklich vielleicht noch nicht mal was zu essen am Tisch hatten. So hart wie sich anhört. Aber es ist wirklich so eine harte Zeit im Moment. Vor allen Dingen wie Schausteller und für die Zirkusleute auch, die ihre Tiere haben, die nicht wissen, wo sie das Futter noch herkriegen soll. Es ist verdammt schmerzlich und hart.

DOMRADIO.DE: Das heißt, Sie können auch noch gar nicht so wirklich Planungen fürs nächste Jahr treffen?

Weber: Nein, aber wir hoffen vor allen Dingen auf Köln. In vielen Städten um Köln herum war man den Schaustellern gegenüber sehr viel entgegenkommender. Man hat sie die Fahrgeschäfte quer durch die Stadt bauen lassen. Zwar keine richtigen Plätze, aber man hat temporäre Freizeitparks genehmigt. Das war hier in Köln unwahrscheinlich schwierig aufgrund des Gesundheitsamts. Die haben alle nicht so Hand in Hand zusammengearbeitet. Ich denke mal, die waren total überlastet durch die ganze Sache. Aber in anderen Städten hat es auch funktioniert. Also man kann auch nicht immer sagen, die waren alle überlastet und konnten es nicht schaffen. Man hat es überall geschafft. Man hat es in Dormagen geschafft, in Düren, so kleine temporäre Freizeitparks zu machen, mit Registrierung, wer reingeht, wer rausgeht, eine bestimmte Besucherzahl festgelegt, Hygiene-Konzepte erarbeitet. Und wir haben uns wirklich die Arbeit gemacht, haben für die große Herbst-Kirmes am Rheinufer in Köln-Deutz ein vernünftiges Konzept erstellt. Und am Ende ist es dann daran gescheitert, dass der nächste Lockdown wieder vor der Tür stand. Sonst hätten wir da eine Weihnachtskirmes  draus gemacht. Die Politiker hatten dann aber auch schon so ein bisschen Angst, da noch irgendwas zu erlauben, weil die Zahlen so enorm und so schnell stiegen. Und dann ist natürlich auch uns klar: Gesundheit und Sicherheit ist das erste Gebot.

DOMRADIO.DE: Was würden Sie sich denn wünschen? Einfach ein bisschen mehr Aufmerksamkeit für Ihre Problematik oder direkt finanzielle Unterstützung? Was fehlt Ihnen da so ein bisschen?

Weber: Ich glaube, wir werden schon gehört. Und ich höre auch immer im Parlament, die Schausteller oder die Veranstaltungs-Branche sei am schlimmsten getroffen. Aber für uns muss dringend ein Weg gefunden werden, dass wir wieder ans Reisen kommen, ans Fahren kommen. Wir haben, wie Sie ja schon gesagt haben, ein Autoscooter auf dem Hof stehen, den wir uns vor drei Jahren wieder neu angeschafft haben. Wir haben den Alten verkauft, einen neuen gekauft. Wir haben also wieder Kosten produziert und die Hilfen reichen vorne und hinten nicht, zumal die ja auch nur im Grunde genommen für den Betrieb sind. Für das eigene Leben fehlt uns das Geld. Also wenn man sich keinen Notfallplan einfallen lässt, vielleicht irgendwo eine Bude hinstellt und da vielleicht Mandeln verkauft oder einen Imbiss macht, dann kommt man überhaupt nicht über die Runden. Dann verhungert man wirklich. Die finanziellen Hilfen reichen wirklich gerade für den Betrieb. Aber wirklich nur so eben, denn man hat ja auch noch die zehn Prozent, die man dann jetzt selber aufbringen muss. Aber wir haben einen hundertprozentigen Ausfall. Wir haben wirklich nicht eine Veranstaltung abhalten können dieses Jahr.

DOMRADIO.DE: Aber dennoch fühlen Sie sich nicht ganz alleingelassen?

Weber: Ja, was ich spüre, sind diese ganzen Kirmes-Fans. Von unseren Besuchern, unseren Gästen, allen Kirmes-Freunden ist es diese Nächstenliebe, die wir dieses Jahr erfahren haben. Ich habe Briefe bekommen. Jede Woche, mindestens zwei- oder dreimal. Und ich habe immer zwei oder drei Briefe da drinne, von Leuten, die uns vermissen.

In einem der ärmsten Stadtteile von Kölner, Chorweiler, haben die im Einkaufszentrum Spendendosen für uns aufgestellt. Also wir waren so gerührt, da sieht man auch dann wieder, dass wenn es dann wirklich hart auf hart kommt, die Ärmsten dann versuchen, denen, die jetzt noch ärgere Probleme haben, auch wieder unter die Arme zu greifen. Also so viel Nächstenliebe...! Ich habe so viel geweint diesen Sommer, weil ich so oft gerührt war von diesen ganzen Ideen, die da kamen für uns. Also das sind schon Sachen, die bewegen einen. Gerade gestern Abend unterhält man sich natürlich darüber und dann fließt das ein oder oder andere Tränchen natürlich.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR
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