Einsam in Corona-Zeiten?

"Es gibt keinen Grund, in Einsamkeit zu verharren"

Schon vor dem offiziellen "Lockdown light" bat Kanzlerin Merkel, Kontakte deutlich zu beschränken. Für manch einen führt dies zwangsweise ganz rasch in die Einsamkeit. Dabei müsste man nur den ersten Schritt wagen.

Autor/in:
Leticia Witte
Symbolbild Einsamkeit / © Sam Wordley (shutterstock)

Familien droht der Lagerkoller, Paaren der Überdruss, Alleinstehenden die Einsamkeit: Die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen machen es niemandem leicht. Es kann natürlich auch gut gehen, und Familien und Paare freuen sich über mehr gemeinsame Zeit. Und wer als Single gut mit sich selbst auskommt und ein stabiles soziales Netz hat, dürfte ebenfalls unbeschadet durch die Lockdowns kommen.

Aber was ist mit Menschen, die die Einsamkeit überkommt, oder die es nicht gewohnt sind, temporär auf sich selbst geworfen zu sein? Ist dann nicht nur der November grau, sondern auch die lichterfüllte Advents- und Weihnachtszeit. Expertinnen sagen: "Das muss nicht sein."

Möglichkeiten in Kontakt zu bleiben

Denn es gibt viele Möglichkeiten, selbst im Lockdown, mit anderen Menschen in Kontakt zu bleiben oder zu kommen. Da ist zum Beispiel das christlich orientierte Single-Netzwerk "Solo&Co", das Pastorin Astrid Eichler leitet. "Heutzutage ist es für jeden einfach, den ersten Schritt zu tun. Es gibt keinen Grund, in Einsamkeit zu verharren", betont sie - "auch wenn es Kraft kostet und mühsam sein kann".

Die Voraussetzung für den ersten Schritt ist nach den Worten Eichlers eine Antwort auf die Frage: "Was will ich?" An der Einsamkeit leiden und mich darin einrichten - oder sie tatsächlich hinter mir lassen und offen sein? Wer sich für letzteres entscheidet und an christlichen Themen interessiert ist, kann bei "Solo&Co" auf Gleichgesinnte treffen, an Veranstaltungen, Freizeiten und Workshops teilnehmen.

Keine hohen Erwartungen haben

Zum Beispiel bei den ersten Beschränkungen im Frühjahr: Da machten 150 Menschen bei einer Telefonaktion mit, so Eichler. Im Losverfahren wurden Zweierteams zusammengebracht, die sich - wenn sie sich verstanden - während der Kontaktbeschränkungen regelmäßig am Telefon austauschten. Nicht immer klappt es beim ersten Versuch: "Wer aus der Einsamkeit will, darf nicht erwarten, dass er sofort neue Freunde findet."

Susanne Frankholz aus München ist Softwareentwicklerin, Musikerin, 58 Jahre alt und schon immer Single, wie sie sagt. "Wer aus der Einsamkeit heraus will, muss den Hintern hochkriegen." Dazu gehöre, nach Gruppen zu suchen, in denen man sich aufgehoben fühle - in Frankholz' Fall war es eben "Solo&Co". Sie selbst sei in einer Gruppe von sechs Frauen aktiv und rät Menschen, die den Lockdown weitgehend allein verbringen und in dieser Zeit kaum neue Leute kennenlernen können, bestehende Kontakte zu pflegen oder sie zu aktivieren.

Frühzeitig über Feiertagszeit nachdenken

Mit Blick auf Weihnachten und Silvester sei es wichtig, frühzeitig darüber nachzudenken, wie und mit wem man diese Zeit gern verbringen wolle. Auch hier gelte: "Man muss selbst rechtzeitig aktiv werden." Ratsam sei es, die Erwartungen nicht zu hoch zu hängen und davon auszugehen, etwa über Weihnachten dauerhaft in Gesellschaft zu sein. Es sei hilfreich, auch für punktuelle, herzliche Kontakte dankbar zu sein.

Zu denen, die lange Phasen des Alleinseins und der Einsamkeit kennen, gehören auch Verwitwete. "Einsamkeit an sich ist eine Katastrophe. In der Corona-Zeit ist man mit zusätzlicher Angst alleine", sagt Jutta Vehling-Walkowiak. Die zweifache Mutter verlor 2002 ihren Mann. Heute ist sie in dem Verein jung verwitwet.de aktiv und leitet in Essen eine Trauergruppe.

"Es hat mir selbst immer gut getan, mich mit anderen auszutauschen", erklärt sie. Menschen um sich zu haben, bei denen man sich fallenlassen könne und die die eigenen Bedürfnisse spürten. Oder zuhörten und den Schmerz mit aushielten. "Begegnungen sind das wichtigste, das man im Leben haben kann." Manchmal helfe eine virtuelle Umarmung.

Tipps gegen die Einsamkeit

Ähnlich wie Eichler fragt auch Vehling-Walkowiak: "Willst du, dass es dir gut geht?" Denn es falle Trauernden oft schwer, sich Genuss und Wohlgefühl zu erlauben. Hilfreich sei, in die Natur zu gehen, oder auch Gespräche, um Worte für Empfindungen zu entdecken und Gedanken zu sortieren.

Für die Zeit von vermutlich wiederkehrenden Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie könne man sich wappnen: die Situation akzeptieren und sich das Temporäre daran vor Augen führen; schon vorsorglich überlegen, zu wem man in der Phase Kontakt hält, und was man gerne alleine macht (etwa lesen oder puzzlen). Und die Wochen für sich nutzen und schauen, ob sich irgendwo - im übertragenen Sinne - nicht auch eine Tür für entspanntere Zeiten öffnet.


Quelle:
KNA