Experte fordert Debatte über den Umgang mit dem Lebensende

Kirchen könnten Sprachrohr sein

Der Leiter des Ressorts Bildung bei Hospiz Österreich, Rainer Simander, beobachtet die Debatte um Sterbehilfe mit Skepsis. Ihn beunruhige die Frage, was ein alter oder sehr kranker Mensch in unserer leistungsorientierten Gesellschaft wert sei.

Liebevolle Begleitung im Alter - bis zum Tod / © sezer66 (shutterstock)
Liebevolle Begleitung im Alter - bis zum Tod / © sezer66 ( shutterstock )

Menschen wollten assistierten Suizid "nicht selten deshalb in Anspruch nehmen, um anderen nicht zur Last zu fallen", erklärte er. "Das ist ein schlimmes Zeichen. Darüber müssen Politik und Gesellschaft diskutieren."

Palliativversorgung ist gefordert

Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Frühjahr ist organisierte Suizidbeihilfe in Deutschland nicht mehr strafbar. In diesem Bereich sei die Palliativversorgung gefordert, betonte Simader. "Sterbende Menschen sollten wissen, welche Möglichkeiten es noch gibt - denn es gibt sehr viele." Viele wollten ihr Leben beenden, weil sie starke Schmerzen oder Angst vor Leid hätten. "Dagegen kann man häufig etwas tun", so der Experte.

Die Kirchen könnten "ein gutes Sprachrohr sein, was die Frage angeht, wie wir Menschen mit dem Lebensende umgehen", fügte der Autor hinzu. Das Buch "99 Fragen an den Tod", das Simader gemeinsam mit der Palliativmedizinerin Claudia Bausewein geschrieben hat, ist vor kurzem erschienen.

Simander: Es braucht Mut im Umgang mit dem Thema

In der Gesellschaft habe sich der Tod "immer mehr auf das abendliche Fernsehprogramm" verlagert, beklagte Simader. "Wir holen ihn uns über Krimis mit unzähligen Leichen ins Wohnzimmer. Daneben wird Makellosigkeit auf Online-Plattformen zelebriert, Schönheitsoperationen nehmen zu, Castingshows boomen. Als wichtig gilt, gut auszusehen und Fitness zu machen. Das gleicht einem Kampf gegen die Vergänglichkeit." Durch diese Entwicklung falle es Patienten und Angehörigen schwerer, sich dem Sterben zu stellen.

Aus Sicht des Experten bräuchte es "von kleinauf wieder mehr Mut im Umgang mit diesem Thema". Er verwies auf Projekte wie "Hospiz macht Schule", bei denen Kinder lernten, "dass es nichts Schlimmes ist, sondern etwas Lebendiges, sich mit dem Tod zu beschäftigen". Von sterbenden Menschen lasse sich zudem vieles lernen: "Wenn wir uns schon im Leben darüber bewusst wären, dass unser Dasein endlich ist, dann würden wir manche Entscheidungen anders treffen."


Quelle:
KNA