Evangelisches Hilfswerk "Brot für die Welt" zieht vernichtende Bilanz

"Grüne Revolution" in Afrika ist ausgeblieben

Verdopplung der Einkommen war das Ziel der "Allianz für eine grüne Revolution in Afrika", stattdessen seien viele Kleinbauern in der Schuldenfalle gelandet, so "Brot für die Welt"-Agrarexperte Tanzmann. Wurden Millionen Euro in den Sand gesetzt?

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Von Marc Engelhardt
Zwei Frauen transportieren einen Maissacks, den sie von der Nahrungsmittelhilfe erhalten haben / © Tsvangirayi Mukwazhi (dpa)
Zwei Frauen transportieren einen Maissacks, den sie von der Nahrungsmittelhilfe erhalten haben / © Tsvangirayi Mukwazhi ( dpa )

14 Jahre nach Gründung einer millionenschweren "Allianz für eine grüne Revolution in Afrika" (Agra) zieht der Agrarexperte von "Brot für die Welt", Stig Tanzmann, eine vernichtende Bilanz: "Die 'grüne Revolution' ist ausgeblieben. Die versprochene Verdopplung von Einkommen ist nicht eingetreten, im Gegensatz sind viele Kleinbauern in der Verschuldungsfalle gelandet."

Eigene Ziele nicht erreicht

Eine Studie, die "Brot für die Welt" gemeinsam mit der Linken-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung, Inkota, Fian Deutschland und dem Forum Umwelt und Entwicklung am Freitag veröffentlichte, belege, dass Agra nicht einmal die selbstgesetzten Ziele erreicht hat. Agra war 2006 gegründet worden und wird vor allem von der Bill- und Melinda-Gates-Stiftung, aber auch aus deutschen Steuermitteln finanziert. Nach eigenen Angaben hat die Allianz seither mehr als 500 Millionen Euro in Projekte vor Ort investiert.

Kaum Ertragssteigerungen

"Der Ansatz, den Agra ein bisschen aufgefrischt hat, ist der, mit industriell gezüchtetem Saatgut und dem Einsatz von chemischen Düngemitteln die Erträge schnell zu steigern", sagte Tanzmann. Das sei nicht nur problematisch, sondern habe auch nicht funktioniert. Die Steigerung des landwirtschaftlichen Ertrags in den Ländern, in denen Agra aktiv sei, unterscheide sich kaum von dem der Vorjahre.

Ganzheitliche Ansätze fehlen

Tanzmann kritisierte grundsätzlich die Ausrichtung der Agra-Projekte. Gebraucht würden ganzheitliche Ansätze, die keine schnellen Ergebnisse versprächen, dafür aber Bodenfruchtbarkeit und Ernährungssysteme stärkten, das Risiko für Bauern minimierten und so ihre Ernährungssicherheit garantierten. "Wenn man dagegen wie Agra den Hauptfokus auf den Maisanbau setzt, dann landet man sehr schnell in der Mangelernährungsfalle." Zudem würden Bauern teilweise in Agra-Projekten gezwungen, ihre bisherigen Mischkulturen aufzugeben. "Das ist grob fahrlässig, auch weil diese viel besser an Klimaveränderungen angepasst sind."

Agra setzt auf industrielle Landwirtschaft

Die Allianz setze ihr Vorgehen dessen ungeachtet mit einer doppelten Strategie fort. Zum einen würden konkrete Projekte finanziert. "In denen wird dann sozusagen die Beratung durchgeführt: Wie arbeite ich als Bauer mit verbessertem Hybrid-Saatgut, chemischem Dünger und Pflanzenschutzmitteln?" Gleichzeitig mache die Allianz politisch Druck, um Gesetze im Sinne dieser industrialisierten Landwirtschaft durchzusetzen. "Da wird systematisch die Saatgut- und Düngemittel-Gesetzgebung in afrikanischen Staaten verändert, was dazu führt, dass eigentlich nur noch das Saatgut von Konzernen offiziell vertrieben werden kann", sagte Tanzmann.

Unterstützung der Allianz einstellen

Vor diesem Hintergrund fordert der Experte die Bundesregierung auf, ihre Unterstützung für Agra und ähnliche Projekte einer "grünen Revolution" einzustellen. "Man muss mit den Bäuerinnen und Bauern vor Ort Lösungen entwickeln, die auf ihrem traditionellen Wissen und traditionellen Anbaumethoden basieren, aber natürlich wissenschaftlich validiert und unterstützt werden, wie der Agrarökologie", forderte Tanzmann. Das Entwicklungsministerium habe bereits erste Schritte in diese Richtung gemacht. Trotzdem sei der Einfluss von Agra nach wie vor zu groß, etwa bei der Vorbereitung eines für 2021 geplanten UN-Gipfels zu Ernährungssystemen.


Quelle:
epd