Freiwilligeneinsatz in der deutschsprachigen Gemeinde in Paris

"Mein Glaube soll laufen lernen"

Ein Auslandsjahr vor Beginn des Studiums macht sich nicht nur gut im Lebenslauf.  Vielen Schulabgängern dient es auch zur Klärung: Was will ich später eigentlich mal machen? Dabei spielt für manch einen die Frage nach Gott eine zentrale Rolle.

Autor/in:
Von Beatrice Tomasetti
Blick auf Paris / © S. Borisov (shutterstock)

David Hand stehen alle Möglichkeiten offen. Denn zum Abitur ist er noch einmal so richtig durchgestartet. Dieser Einsatz hat sich ausgezahlt. Fleiß und Disziplin wurden mit der Traumnote 1,0 belohnt, und nun könnte sich der 18-Jährige mit diesem Ergebnis eigentlich entspannt zurücklehnen. Denn Numerus clausus-Sorgen hat er nicht. Für jedes Fach an der Uni könnte er sich umgehend problemlos einschreiben. Aber David hat andere Pläne. Zum 1. September geht er erst einmal für ein Auslandsjahr nach Paris und wird dort über den Bundesfreiwilligendienst in der katholischen deutschsprachigen Gemeinde mitarbeiten.

Natürlich will er dabei Land und Leute kennenlernen, sein Französisch verbessern, auch einmal auf eigenen Füßen stehen und sich – zum ersten Mal weg vom Elternhaus – in Selbständigkeit üben. Vor allem aber reizt ihn die konkrete Tätigkeit in der Kirchengemeinde St. Albertus Magnus im 16. Arrondissement. "Kirchliches Leben – das ist mir seit meiner Kindheit vertraut, da kann ich mich schnell einleben. Schließlich kenne ich das nicht anders. Außerdem bin ich mit meinem Glauben ja überall zu Hause. Das nimmt einem das Fernweh", ist David überzeugt.

In seiner Heimatgemeinde St. Nikolaus in Rösrath-Hoffnungsthal, in der seine Mutter dem Kirchenvorstand angehört, ist er Messdiener und Lektor. Ehrenamtliches Engagement aus dem Glauben heraus hat für ihn daher etwas Selbstverständliches und ist ihm schon lange wichtig. In jeder Hinsicht geradezu die perfekte Mischung bietet deshalb diese Stelle in Paris für ihn, die offiziell unter der Überschrift "Anderer Dienst im Ausland" (ADiA) läuft.

Unterstützung der Citypastoral in einer Metropole

Die Liebe zu Frankreich ist dem jungen Mann gewissermaßen in die Wiege gelegt; schon als kleiner Junge ist er von seinen Eltern immer wieder zu Verwandtenbesuchen in die Provence oder auch in die französische Hauptstadt mitgenommen worden. Später war er dann mal mit der Schule in Paris – und sogar noch einmal zu einem Auslandsturnier mit seiner Fußballmannschaft. "Ich liebe einfach dieses Land", schwärmt David, dem es besonders die Ästhetik der Sprache und der Kultur angetan hat. "Einfach toll, dass ich dort nun ein Jahr leben und etwas mitgestalten darf, was mir so am Herzen liegt."

Mehr zufällig war er im Pfarrbrief von St. Nikolaus auf eine Ausschreibung gestoßen, in der für Unterstützung bei Verwaltungsaufgaben im Pfarrbüro der deutschsprachigen Gemeinde, bei Veranstaltungen im Gemeindehaus und bei der Vor- und Nachbereitung von Gottesdiensten geworben wurde. Auch bei der Mitarbeit in der Kinder- und Jugendarbeit, der Betreuung von Übernachtungsgästen, der Leitung der Au-pair-Treffen oder den vielen anderen Willkommensinitiativen sowie der Teilnahme am Kirchengemeinderat ist ausdrücklich tatkräftige Mithilfe erwünscht. Eigentlich Aufgaben, wie sie in jeder deutschen Pfarrei auch anfallen – mit dem Unterschied, dass sich eine Auslandsgemeinde mitten in einer Zwei-Millionen-Großstadt noch einmal anderen Herausforderungen stellen muss und die Verantwortlichen unter der Leitung des deutschen Seelsorgers Markus Hirlinger Citypastoral immer wieder neu denken wollen, soll sie in der Anonymität einer Metropole nicht untergehen. Hier geht es darum, das eigene Profil zu schärfen, um für die zahlreichen Gemeindemitglieder auf Zeit attraktive Andockstelle zu sein.

Gottesdienst in der Muttersprache mitfeiern

Denn St. Albertus Magnus ist keine herkömmliche Pfarrei. Schließlich besteht sie vor allem aus Menschen, die nur für einen begrenzten Zeitraum in Paris leben, um hier vorübergehend zu arbeiten oder zu studieren. Eher ein kleiner Teil von ihnen – Deutsche, Österreicher oder Schweizer – hat hier dauerhaft einen Wohnsitz. Andererseits ist der Einzugsbereich einer Auslandsgemeinde wie der in Paris sehr groß. Die Gemeindemitglieder wohnen nicht nur in unmittelbarer Nähe, sondern kommen teilweise auch aus dem entfernteren Umland und den Randbezirken, um einen Gottesdienst in ihrer Muttersprache mitfeiern zu können. Eine genaue Erhebung der Katholikenzahl, die sich der St. Albertus Magnus- Gemeinde zugehörig fühlt, ist nicht möglich, da sie weder von den deutschsprachigen Botschaften noch vom Staat oder der Kirche erfasst werden kann. Aber dass Kirchentüren nicht nur für die treuen Gottesdienstbesucher offen sein sollten, sondern auch für Menschen, die der Institution Kirche eher distanziert gegenüberstehen – das wird hier aus tiefster Überzeugung gelebt. Jedenfalls wird jedem Neuankömmling das Gefühl vermittelt, direkt dazuzugehören.

"Schon witzig, dass ich ausgerechnet an einen Ort komme, dessen Name mir so vertraut ist", findet David, der am Bensberger Albertus-Magnus-Gymnasium sein Abitur gemacht hat. Wenn das kein gutes Omen sei! Die wenigsten wüssten, dass der große mittelalterliche Heilige, Albertus Magnus, eben nicht nur in Köln, sondern auch in Paris gelehrt habe. "Auf gewisse Weise schließt sich hier wieder ein Kreis."

"Diese uralte Institution ist für mich ganz aktuell"

Manchmal kann David sein Glück kaum fassen. Bundesweit war diese Stelle ausgeschrieben worden. Doch scheinbar mühelos hatte er sich gegen die Konkurrenz durchgesetzt und mit seinem Bewerbungsschreiben, zu dem auch eine Referenz seines Rösrather Pfarrers Franz Gerards gehörte, überzeugt. Darin wird ihm bescheinigt, dass er innerhalb der Messdienerschaft für die Jüngeren stets ein Vorbild war, grundsätzlich ein Teamplayer ist und die ihm demnächst zugewiesenen Arbeit ganz sicher mit Leben füllen wird.

David selbst ist voller Vorfreude und zuversichtlich, dass das Leben in der quirligen Innenstadtgemeinde an der Seine ein großer Gewinn für ihn sein wird. "Der Glaube spielt, seit ich denken kann, in meinem Leben eine wesentliche Rolle. Und ich habe eine enge Bindung an Kirche – auch weil meine Mutter mir das so vorgelebt hat. Aber eben auch, weil diese uralte Institution für mich ganz aktuell ist, etwas Stärkendes hat – gerade auch jetzt in Corona-Zeiten, als bis vor kurzem – in Frankreich noch strenger als bei uns – strikte Ausgangsbeschränkungen galten, die Menschen nicht in ihre Gotteshäuser konnten und darunter sehr gelitten haben", betont David. "Kirche war für mich immer schon Rückhalt. In der heißen Abi-Phase habe ich das noch einmal deutlich gespürt. Und auch, dass ich nie allein bin, wenn ich Gott vertraue."

Wenn der 18-Jährige demnächst für seinen Freiwilligendienst in das Nachbarland umziehen wird, dann erhofft er sich vor allem, auch in seinem Glauben noch einmal ein Stück zu wachsen. "Ich wünsche mir, hier meinen ganz eigenen Weg zu finden. Mein Glaube soll laufen lernen."


Albertus Magnus - Steinrelief an der  medizinischen Fakultät der Uni Paris / © Zvonimir Atletic (shutterstock)
Albertus Magnus - Steinrelief an der medizinischen Fakultät der Uni Paris / © Zvonimir Atletic ( shutterstock )
Quelle:
DR
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