Besonders Kinder leiden nach Ansicht des Caritas-Verbandes unter einer Schuldenkrise infolge der Corona-Pandemie. Der Verband rechnet mit einer deutlichen Zunahme der überschuldeten Haushalte infolge der Corona-Pandemie. Bereits vor der Krise waren demnach zehn Prozent der Haushalte in Deutschland überschuldet. Die Folgen der Corona-Krise, wie der Verlust des Arbeitsplatzes oder nicht ausreichendes Kurzarbeitergeld, bedrohten zunehmend die Existenz vieler Familien, so Neher weiter. Die Schuldnerberatung des Caritas-Verbandes habe im April doppelt so viele Anfragen erhalten wie im Januar, teilte der Verband weiter mit. Menschen hätten sich mit Geldsorgen, wegen psychischer Belastungen und Zukunftssorgen an die Beratung gewandt. (kna)
27.05.2020
Familien sind in der Corona-Krise gleich mehrfach belastet. Die Kinder können nicht regelmäßig oder gar nicht in Schule oder Kita. Die Eltern stehen beruflich unter Druck. Caritas-Präsident Peter Neher fordert mehr Engagement und Hilfe von der Politik.
DOMRADIO.DE: Kinder und Familien haben in der Politik keine Lobby, heißt es dieser Tage von verschiedenen Seiten. Ist dieser pauschale Vorwurf denn so gerechtfertigt?
Prälat Peter Neher (Präsident des Deutschen Caritasverbandes): Wenn man auf die Belastungen schaut, die Familien zu leisten haben - Homeoffice, Homeschooling, finanzielle Belastungen - kann man schon den Eindruck haben, dass es im Moment nicht das vorrangige Thema der Politik ist, auch auf Familien zu achten.
DOMRADIO.DE: Die Caritas macht darauf aufmerksam, dass Familien, die durch die Corona-Krise verschuldet sind, Hilfen bekommen müssten. Sehen Sie in Ihren Beratungsstellen, dass das ein Problem ist?
Neher: Das ist ein großes Thema, insbesondere wenn ich an die Schuldnerberatung denke oder auch die Erziehungsberatung. Familien brauchen dringend Beratung. Es braucht Schulsozialarbeit und gerade auch jetzt in der Zeit, wo Kinder nicht in die Schule können, eine gute Infrastruktur.
Aber es braucht natürlich auch die finanzielle Unterstützung, gerade für viele Familien mit Grundsicherung. Es darf dann keine Verrechnung einer zusätzlichen Leistung mit der Grundsicherung geben. Und wir müssen an jene Familien denken, die knapp über der Grundsicherungsgrenze liegen. Da, glaube ich, gibt es doch erheblichen Nachholbedarf, dass auch diese Familien in den Blick kommen.
DOMRADIO.DE: Am vergangenen Freitag gingen Meldungen durch die Presse, wonach die Bundesregierung plant, 300 Euro pro Kind zu bezahlen - als Konjunkturanreiz und Hilfe nach der Corona-Krise. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hat das Doppelte gefordert. Wäre das eine richtige Maßnahme, um Familien zu fördern?
Neher: Ich glaube, im Moment ist kein Gießkannenprinzip angesagt. Denn Gott sei Dank sind ja nicht alle Familien finanziell hilfebedürftig. Deswegen ist es dringend notwendig, zielgenau zu gucken: Welche Familien haben denn wirklich einen finanziellen Bedarf, weil sie am Limit sind? Deswegen sage ich ganz deutlich, dass es nicht angemessen ist, das einfach generell zu verteilen, sondern wirklich zielgenau zu gucken: Wer hat den Bedarf und wer braucht dringend die Unterstützung?
DOMRADIO.DE: Gewarnt wurde zum Beginn des Lockdowns ja auch davor, dass die häusliche Gewalt in den Familien zunehmen könnte. Wie ist da der Stand aus Ihrer Perspektive?
Neher: Das ist ein heikles Thema. Wenn ich auf Polizeistatistiken schaue, sagen die, es gibt keine signifikante Erhöhung. Schaue ich auf die Arbeit der Beratungsstellen, kann schon der Eindruck entstehen, dass das tatsächlich ein Thema ist. Ich denke wir werden nach einer gewissen Zeit deutlicher sehen, was Sache ist.
Blaue Flecken, psychische Belastungen und Gewalt sind nicht immer gleich offenkundig. Aber man kann sich ausrechnen, wenn man in engen Verhältnissen leben muss, aufeinander verwiesen ist in einer Form, die bisher nicht vertraut war, dass das auch zu häuslicher Gewalt führt. Das ist, glaube ich, klar. Und deswegen ist dieses Thema, auch wenn es im Moment nicht öffentlichkeitswirksam ist, gut im Auge zu behalten und Vorsorge dafür zu treffen, dass das eben möglichst nicht passiert.
Das Interview führte Tobias Fricke.
Besonders Kinder leiden nach Ansicht des Caritas-Verbandes unter einer Schuldenkrise infolge der Corona-Pandemie. Der Verband rechnet mit einer deutlichen Zunahme der überschuldeten Haushalte infolge der Corona-Pandemie. Bereits vor der Krise waren demnach zehn Prozent der Haushalte in Deutschland überschuldet. Die Folgen der Corona-Krise, wie der Verlust des Arbeitsplatzes oder nicht ausreichendes Kurzarbeitergeld, bedrohten zunehmend die Existenz vieler Familien, so Neher weiter. Die Schuldnerberatung des Caritas-Verbandes habe im April doppelt so viele Anfragen erhalten wie im Januar, teilte der Verband weiter mit. Menschen hätten sich mit Geldsorgen, wegen psychischer Belastungen und Zukunftssorgen an die Beratung gewandt. (kna)