Ausgebremst vom Virus: Geschlossene Grenzen und Flughäfen blockieren Weg nach Norden

Westafrikas Migranten sitzen fest

Migration in Westafrika ist in den vergangenen Jahrzehnten immer riskanter geworden. Nun stellt die Corona-Pandemie viele Migranten vor weitere Probleme. Viele sitzen fest - ohne ausreichend Nahrung, ohne Arbeit.

Autor/in:
Katrin Gänsler
Afrikanische Migranten / © Jesus Merida (dpa)
Afrikanische Migranten / © Jesus Merida ( dpa )

Es sind viele tausend Menschen, die aktuell zwischen dem Atlantik und Nordafrika festsitzen. Grund dafür sind geschlossene Grenzen, denn auch westafrikanische Staaten wollen so die Ausbreitung des Corona-Virus eindämmen. Migranten, die in der Region arbeiten oder auf dem Weg nach Norden sind, stellt das vor enorme Schwierigkeiten, sagt Eric Kamdem, der in der Stadt Gao im Norden von Mali das "Haus der Migranten" leitet. Es bietet Menschen auf der Durchreise Obdach für ein paar Tage und praktische Hilfe. Derzeit betreut es 30 Personen. "Aktuell sind viele Gestrandete in Gao, die an der Grenze nach Algerien zurückgewiesen wurden", so Kamdem.

Eingepfercht in Güterwaggons

Die Pandemie setzt die Migranten nun zusätzlichen Gefahren aus. Um nicht aufzufallen, reisen sie eingepfercht in Güterwaggons, wo die Ansteckungsgefahr enorm ist. Zugang zu Sanitäreinrichtungen, Masken und Desinfektionsmitteln gibt es so gut wie nie. Kommen sie in größeren Städten an, könnten sie künftig zudem vermehrt Stigmatisierungen ausgesetzt werden. "Wir befürchten, dass die Bevölkerung behaupten wird, die Migranten hätten das Virus in die Stadt gebracht", so Kamdem. Diese Furcht ist in vielen Ländern der Region vorhanden.

Wunschziel Europa

Dennoch ist der Wunsch, nach Nordafrika und Europa zu gelangen, ungebrochen. Alleine in die Stadt Gao kommen monatlich etwa 400 Migranten. Laut Kamdem brechen täglich etwa 15 in Richtung Europa auf. Die Zahl der Rückkehrer aus Nordafrika sei weitaus geringer. Neben Corona sind die Migranten seit Jahren allerdings auch Übergriffen und Erpressungen von Terrorgruppen und Banditen ausgesetzt. Viele jedoch, so der Experte, spielten diese Gefahren herunter, wollen sich nicht entmutigen lassen.

Angst vor Behörden

Sophie Nonnenmacher, Interimsleiterin der Internationalen Organisation für Migration (IOM) für West- und Zentralafrika in Dakar, hält die Lage vieler Migranten ebenfalls für besonders erschwert. Durch den Corona-Ausbruch hätten viele ihre Jobs verloren, die ihnen auf ihren Etappen immer wieder ein Auskommen und die nötigen Barmittel für die Weiterreise verschafften, so Nonnenmacher. In der aktuellen Situation hätten gerade Menschen ohne Papiere große Angst vor den Behörden. Psychosoziale Angebote seien neben dem Zugang zu Sanitäreinrichtungen und Nahrungsmitteln deshalb wichtig.

Arbeitsmigration mit Tradition

Die Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UNDESA) schätzt, dass in West- und Zentralafrika derzeit 9,5 Millionen Migranten leben. Arbeitsmigration hat in diesem Teil Afrikas eine lange Tradition, die wichtig für die regionale Wirtschaft und Entwicklung ist. Längst nicht alle Migranten sind auf dem Weg nach Europa und wollen in den jeweiligen Gastländern bleiben. Sie müssten deshalb in Sanitär- und Hygienekonzepte eingebunden werden, fordert Nonnenmacher. Darüber hinaus sei noch etwas anderes von großer Bedeutung: "Grenzen müssen geöffnet werden." Auch sollten Möglichkeiten für Migranten geschaffen werden, die zurück in ihre Heimatländer wollen.

Drehscheibe des Menschenhandels

Doch Grenzen und Flughäfen bleiben geschlossen. Das spürt in Benin City, Drehscheibe des nigerianischen Menschenhandels und nigerianischer Migration, auch Roland Nwoha. Er arbeitet für die Organisation Idia Renaissance, die Aufklärungsarbeit für Migrationswillige macht und Rückkehrern Ausbildungsprogramme anbietet. Beispielsweise können sie sich in der Schneiderei oder dem Frisörsalon der Organisation ausbilden lassen. Doch dort ist es ruhig. "Seit die internationalen Flüge ausgesetzt wurden, kommen auch keine Rückkehrer mehr", sagt Nwoha.


Quelle:
KNA