Heilige und Wetterkerzen für stürmische Zeiten

Absicherung nach oben bei Windstärke 12

Was für den Zeitgenossen die Wetter-App, ist für den traditionellen Katholiken der Heiligenkalender. Dort findet sich für jedes Anliegen der richtige Ansprechpartner. Auch wenn Orkane toben - oder der Irrsinn.

Autor/in:
Barbara Just und Christian Wölfel
Regenschirm / © Nipol Plobmuang (shutterstock)

Katwarn, der Deutsche Wetterdienst oder eine der vielen anderen Apps mit ihren alarmierenden Push-Meldungen - auf solch irdische Helfer vertraut der Mensch von heute bei nahenden Sturmkatastrophen. Wenn dann doch etwas zu Bruch geht, müssen Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und schlussendlich die Versicherung ran.

Im Mittelalter gab es weder digitale noch finanzielle, dafür himmlische Unterstützung: Heilige wurden angerufen und sogenannte Wetterkerzen aufgestellt. Sie sollten helfen, das Unheil fernzuhalten.

Hilfe verspricht der heilige Ägidius

Vom Namen her müsste eigentlich der heilige Sturmius ein passender Kandidat für Orkane und andere Winde sein. Doch Nomen ist in seinem Fall nicht gleich Omen. Der Gefährte des heiligen Bonifatius, des Apostels der Deutschen, gründete zwar ein bedeutsames Kloster in Fulda, geriet aber selbst im achten Jahrhundert lediglich in einen politischen Sturm von Intrigen. Wirklich Hilfe bei "Sabine" und Konsorten verspricht dagegen der heilige Ägidius. Der Benediktinermönch aus dem ersten Jahrtausend gehört zu den 14 Nothelfern und damit zum himmlischen Versicherungspaket.

Feuer, Dürre und Sturm sind aber nur ein Teil seines Einsatzgebiets. Auch für Verlassenheit und Epilepsie ist er zuständig. Ägidius, ursprünglich griechischer Abstammung, lebte der Legende nach im 7. Jahrhundert in Südfrankreich als Einsiedler. Dabei soll ihn eine Hirschkuh mit ihrer Milch ernährt haben. Mit ebensolcher wird er auch immer dargestellt. Kein Wunder also, dass er als Nothelfer selbst für stillende Mütter zuständig ist.

Im Einklang mit der Natur habe Ägidius gelebt, heißt es. Deswegen stehe er ebenso für Stille und Ruhe sowie für den fürsorglichen Umgang mit der Umwelt. Auch wenn Orkantiefs wie "Sabine" nicht zwangsläufig auf den Klimawandel verweisen, so gäbe der Heilige auch einen trefflichen himmlischen Fürsprecher für die "Fridays for Future"-Bewegung ab.

Wetterkerze als Präventivmaßnahme

Eine weitere traditionelle Präventivmaßnahme aus dem katholischen Kosmos ist die gute, alte Wetterkerze, wie sie etwa im Wallfahrtsort Altötting bis heute verkauft wird. Ihr schwarzes Aussehen liegt darin begründet, dass für ihre Fertigung einst Wachsreste von Kerzen verwendet wurden, die zuvor in der Gnadenkapelle bei der Schwarzen Madonna brannten.

Übrigens soll der größte bayerische Marienwallfahrtsort am Sonntag für die winterliche Jahreszeit "gut" besucht gewesen sein, heißt es im Wallfahrtsbüro. Ob das tatsächlich mit dem drohenden Sturm zu tun hatte - das weiß wohl nur der liebe Gott. Ansonsten gilt, sich noch einmal intensiver mit Ägidius zu beschäftigen, auch wenn dieser nicht nur beim modernen Menschen, sondern auch offiziell ins Hintertreffen geraten ist.

Der einzige Nothelfer, der nicht als Märtyrer starb, fehlt seit 1969 im römischen Kalender. Im Mittelalter bildete er mit Leonhard noch ein volkstümliches Heiligengespann der Bauernschaft. Sein Gedenktag am 1. September war für die Landwirte ein wichtiger Lostag für das Wetter. "Wie Ägidius sich verhält, ist der ganze Herbst bestellt", hieß es. Oder: "Ist schön Wetter auf Ägiditag, man guten Wein erhoffen mag." Im vergangenen Jahr übrigens begann der September mit einem markanten Temperatursturz. Hitze-Hoch Corina war wie weggeblasen.

Die Legende berichtet auch von einem unglaublichen Transport. So warf Ägidius in Rom unter Gebeten die ihm vom Papst für sein Kloster geschenkten Türen aus geschnitztem Zypressenholz in den Tiber. Er soll sie dann nach der Rückkehr im Hafen seines Klosters in Frankreich wiedergefunden haben. Was noch für den Nothelfer spricht, um ihm ein würdiges Comeback zu ermöglichen, ist seine vielseitige Einsetzbarkeit. In seinen Zuständigkeitsbereich fällt auch der Irrsinn. Damit wäre er in diesen bewegten Zeiten ein idealer Ansprechpartner - nicht nur bei Schlechtwetter.


Quelle:
KNA