Care erinnert an zehn von den Medien vergessene Krisen

"Nehmt sie wahr und handelt!"

Das Hilfswerk Care macht auf zehn humanitäre Krisen 2019 aufmerksam, die medial zu wenig beachtet wurden. 51 Millionen Menschen waren von diesen Krisen betroffen, fast alle haben auf dem afrikanischen Kontinent stattgefunden.

Starkregen folgte auf den Zyklon "Belna" auf Madagaskar  / © Alexander Joe (dpa)
Starkregen folgte auf den Zyklon "Belna" auf Madagaskar / © Alexander Joe ( dpa )

DOMRADIO.DE: In Ihrem Bericht Suffering Silence führen sie zehn Krisen auf, die im vergangenen Jahr so gut wie gar nicht in den Medien aufgetaucht sind, von denen aber 51 Millionen Menschen betroffen waren. Wie haben Sie diese Krisen ermittelt?

Karl-Otto Zentel (Generalsekretär Care Deutschland): Wir haben eine Recherche von Online-Medien-Mitteilungen zwischen Januar und Mitte November 2019 vorgenommen. Kriterium war, dass eine menschengemachte Krise oder eine Naturkatastrophe mehr als eine Million Menschen in dem Land betrifft.

Suchkriterium war, das das Land oder die Region im Zusammenhang mit Begriffen wie zum Beispiel Konflikt oder Dürre standen. Wir haben uns die Treffer angesehen: Wie oft wurde das Land in deutschen, englischen, französischen, spanischen und arabischen Online-Medien erwähnt?

DOMRADIO.DE: Am Ende der Liste stand offensichtlich Madagaskar. Die Hungersnot 2019 in Madagaskar hat am wenigsten Beachtung gefunden. Was war denn da los?

Zentel: Wir haben in Madagaskar eine chronische Armut und Katastrophen. Das Ganze hat sich verstärkt. Das heißt, eine ohnehin schwierige Situation in Madagaskar wurde noch einmal dramatisch verschärft. Das war keine Berichterstattung wert.

DOMRADIO.DE: Madagaskar ist ein Inselstaat an der Südostküste Afrikas. Alle anderen von Ihnen aufgelisteten Länder liegen in Afrika - bis auf Nordkorea. Was zeigt das?

Zentel: Es ist ein bisschen früh, das zu analysieren. Aber wir können sagen, dass 2016 und 2017 sieben von den zehn Ländern in Afrika lagen. 2018 waren es acht afrikanische Länder, über die wenig berichtet wurde. Nun sind es neun. Das könnte einen Trend zeigen.

Nordkorea war vorher auch auf der Liste. Im vergangenen Jahr bekam das Land aufgrund der politischen Aktivitäten mehr mediale Aufmerksamkeit. Die Kontakte zwischen USA und Nordkorea haben da mehr mediale Präsenz zur Folge gehabt. Das hat sich jetzt wieder verändert und deshalb ist das Land wieder auf der Liste.

Ob das jetzt ein Trend sein wird, ist ein bisschen früh zu sagen. Wir können jedenfalls feststellen, dass wir sehr viele Krisen auf dem afrikanischen Kontinent haben. Und wir müssen leider feststellen, dass viele dieser Krisen wenig mediale Aufmerksamkeit finden.

DOMRADIO.DE: Sie wollen aber nicht nur klagen, sondern vor allem etwas ändern und geben Empfehlungen aus, um vergessene Krisen ans Licht zu holen. Was sind da die wichtigsten?

Zentel: Es betrifft eine Reihe von Akteuren. Care möchte sich auch selbst in die Pflicht nehmen. Das heißt, wir haben uns mit dem Ergebnis dieses Berichts vorgenommen, dass wir in den zehn Ländern, in denen wir als Organisation Care tätig sind, verstärkt versuchen werden, nun mediale Aufmerksamkeit zu erreichen und mehr Pressearbeit zu betreiben.

Es geht an die Medien der Hinweis: Schaut es euch einmal an, neben den Schlagzeilen gibt es sehr viel menschliches Leid. Diese Menschen sind doppelt bestraft, weil sie zum einen von einer Katastrophe oder von einem Konflikt betroffen sind, für den sie im Regelfall nichts können, und zum anderen wird ihnen Hilfe nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt, weil nicht darüber berichtet wird.

Es geht an die Politik: Zum einen schaut auch auf diese Länder und diese wenig berichteten Krisen. Versucht politisch an einer Lösung zu arbeiten und nicht nur finanziell.

Es geht in Richtung Öffentlichkeit: Neben all dem Plakativen, gibt es viel mehr, was wir wissen sollten. Seid offen, aufmerksam und bereit auch für diese Informationen neben dem Mainstream. Nehmt sie wahr und handelt!

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR
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