ZdK-Mitglied Hendricks zum SPD-Parteitag

"Der christliche Geist auch zum Ausdruck gekommen"

Der Beschluss zur Vermögenssteuer und ein neues Sozialstaatskonzept sind die großen Ergebnisse des SPD-Parteitags. Sind die katholischen Abgeordneten zufrieden damit? Die ehemalige Umweltministerin Barbara Hendricks ordnet den Parteitag ein.

Barbara Hendricks / © Markus Nowak (KNA)
Barbara Hendricks / © Markus Nowak ( KNA )

DOMRADIO.DE: Haben Sie auf dem Parteitag jetzt auch so etwas wie einen christlichen Geist verspürt?

Dr. Barbara Hendricks (SPD-Bundestagsabgeordnete und ZdK-Mitglied): Ja, ganz sicher. Zum Beispiel in der Frage der Flüchtlingspolitik. Wir sind uns zum Beispiel einig, dass Seenotrettung nicht privaten Rettern überlassen werden darf, jedenfalls nicht allein. Wenn sie das tun, ist das okay. Aber eigentlich ist es eine staatliche Aufgabe, und der fühlen wir uns auch verpflichtet. An der Stelle, glaube ich, ist zum Beispiel der christliche Geist auch zum Ausdruck gekommen.

DOMRADIO.DE: Die Genossen verlieren seit Jahren kontinuierlich an Zuspruch. Im aktuellen Deutschlandtrend liegen sie bei gerade noch 13 Prozent – und hinter der AfD. Glauben Sie denn, die neuen Parteichefs können daran etwas ändern?

Hendricks: Die sozialdemokratische Partei tut gut daran, sich auch auf ihre Traditionen und auf den Wert, den sie in der deutschen Gesellschaft entfaltet hat, immer zu besinnen. Das Parteitagsmotto lautete: "In die neue Zeit". Und ja, dazu war entscheidend die Grundsatzentscheidung zum Beispiel über die Vermögenssteuer, über die wir jahrelang gestritten haben innerparteilich, aber ganz wichtig war auch das neue Sozialstaatskonzept, welches noch von Andrea Nahles vorbereitet worden ist, und eine Einigung auf das Thema Kindergrundsicherung.

Das sind wirklich neue Themen, die wir dort beschlossen haben und die wir in eine neue Regierung einbringen wollen. Das wissen wir, das werden wir nicht in dieser Koalition noch umsetzen können – weder das neue Sozialstaatskonzept noch die Kindergrundsicherung. Aber das sind programmatische Aussagen der SPD auch für die Jahre über diese Koalition hinaus.

DOMRADIO.DE: Der Parteitag hat einen Beschluss zur Vermögenssteuer verabschiedet, der lange verhandelt wurde. Ist eine gute Entscheidung getroffen worden?

Hendricks: Ich glaube schon, denn wir haben gerade in den letzten 20 Jahren ein Auseinanderdriften in der Gesellschaft festgestellt. Und mittlerweile gibt es auch eine ganze Reihe von Ökonomen, die sagen, dass eine solche große Ungleichheit eben nicht produktiv ist, so wie man das eine Zeit lang angenommen hat, sondern dass es tatsächlich auch zu dem Gefühl von Abgehängtheit und Verbitterung führt, welches uns in der Gesellschaft nicht guttut.

Die Vermögensteuer ist ja 1997 einfach ausgelaufen, ohne dass sie jemand bewusst abgeschafft hat. Bewusst hat damals die Union kein neues Gesetz vorgelegt – das war noch in Zeiten der Kohl-Regierungsverantwortung. Seither gibt es die Vermögenssteuer nicht mehr. Ich finde schon, es sollte sie geben und diejenigen oberhalb von einer Million Vermögen besteuern. Und das bezieht sich natürlich auf Personen – Ehepaare, Kinder und so weiter werden natürlich je einzeln gezählt. Da glaube ich, dass man ein Prozent wirklich ganz gut verantworten kann, weil es in der Tat zum Zusammenhalt in der Gesellschaft führt, unabhängig davon, wie hoch das Aufkommen einer solchen Vermögenssteuer denn dann wäre.

DOMRADIO.DE: Das zweite große Thema auf dem Parteitag ist die Schuldengrenze. Walter-Borjans hat erneut die Schuldenbremse infrage gestellt. Damit widerspricht er aber deutlich dem Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Wie wird das ankommen?

Hendricks: Ich glaube, es geht darum, dass wir eine Verstetigung der Investitionen brauchen. Zunächst einmal gibt es ja den Streit um die sogenannte schwarze Null. Die schwarze Null heißt: Wir nehmen keine neuen Schulden auf. Das ist seit Schäubles Verantwortungszeit so geschehen und auch in der Verantwortung von Olaf Scholz fortgeführt worden. Entscheidend ist, dass wir eine Verstetigung der Investitionen brauchen, auch im Hinblick darauf, dass diejenigen, die ihre Kapazitäten aufbauen sollen, für die Zukunft wissen müssen: Ja, es bleibt bei solchen hohen Investitionen. Denn nur dann kommen wir zu einem Kapazitätsaufbau.

Ich halte das für dringlich nötig. Wissen Sie, wir hatten etwa 1995 in der wiedervereinigten Bundesrepublik Deutschland rund 50 Prozent mehr Baukapazitäten als heute. Das heißt, prinzipiell ist es also möglich, einen solchen Kapazitätsaufbau zu machen, wenn man weiß, dass auf Dauer durch die öffentliche Hand in vergleichbarer Höhe immer mit einem gewissen Zuwachs investiert wird. Das, glaube ich, ist der entscheidende Punkt, um den es geht.

DOMRADIO.DE: Trotzdem wird man sich vorstellen können: Einfach durchzusetzen sind diese Beschlüsse nicht. Es zeichnet sich aber auch die Tendenz ab, doch in jedem Fall in der GroKo bleiben zu wollen. Was will die SPD denn tun, damit die CDU auf die gefassten Beschlüsse eingeht?

Hendricks: Nun, was die Vermögensteuer anbelangt, wissen wir, dass das nicht in dieser Legislaturperiode kommt. Das erwartet niemand. Das ist eine Aussage für nächste Wahlen. Das wird jetzt auch gar nicht besprochen werden mit der Union, sondern das ist das Regierungsprogramm. Und ich glaube schon, dass man über die Verstetigung von Investitionen sprechen kann. Da sind wir uns ja auch einig mit praktisch allen Ökonomen. Auch der Bundesverband der deutschen Industrie und der Deutsche Gewerkschaftsbund haben gefordert, in den nächsten zehn Jahren zusätzlich 450 Milliarden Euro zu investieren.

Da sind wir uns einig, und ich glaube, da kann man sich annähern. Das bedeutet ja erst einmal, dass wir noch die Jahre in dieser Legislatur betrachten und natürlich auch die mittelfristige Finanzplanung, für die wir gemeinsam Verantwortung haben. Das ist erst einmal nur ein Zeithorizont bis 2025, über den man sich in der Koalition überhaupt noch verständigen kann. Entscheidend ist für mich die Aussage: Wir verstetigen die Investitionen auf sehr hohem Niveau mit einem jährlichen Zuwachs, weil ja der Baupreisindex auch beachtet werden muss.

Das Interview führte Verena Tröster.


Quelle:
DR