Finanzierung der Pflege rückt in Mittelpunkt der Reformdebatte

"Pflege darf nicht arm machen"

Die Pflege ist zum politischen Megathema geworden. Nach zahlreichen inhaltlichen Reformen der Pflegeversicherung steht jetzt eine grundlegende Finanzreform auf der Tagesordnung. Die ersten Schritte sind gemacht.

Autor/in:
Christoph Arens
Pflege durch Angehörige / © Halfpoint (shutterstock)

In der Debatte um die Neuordnung der Pflege in Deutschland rückt zunehmend die Finanzierung in den Mittelpunkt. Seit 2013 hat die Große Koalition drei Reformgesetze vorgelegt und dabei unter anderem die Kriterien für Pflegebedürftigkeit neu definiert, die Leistungen für Demenzkranke verbessert, die Hilfen für pflegende Angehörige gestärkt sowie die Pflegeberatung ausgebaut. Zudem wurde ein neuer Pflege-TÜV auf den Weg gebracht.

Bislang wurden die Reformen vor allem durch Anhebungen der Beitragssätze finanziert: Seit Januar müssen die mehr als 72 Millionen gesetzlich Versicherten tiefer in die Tasche greifen. Der Beitragssatz wurde um 0,5 Punkte auf 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens angehoben. Beitragszahler ohne Kinder müssen 3,3 Prozent zahlen. Die Versicherung startete 1995 mit einem Beitragssatz von einem Prozent.

Finanzierung der Pflege auf dem Prüfstand

Doch angesichts des steigenden Anteils älterer Menschen und auch mit Blick auf einen großen Personalmangel bei Heimen und ambulanten Diensten muss die Finanzierung der Pflege grundlegend auf den Prüfstand. Dass etwas zunehmend aus dem Gleichgewicht gerät, zeigt insbesondere der wachsende Eigenanteil, den Pflegebedürftige in Heimen zahlen müssen. Im bundesweiten Durchschnitt liegt er mittlerweile bei monatlich 1.800 Euro.

Inzwischen kann jeder sechste Pflegebedürftige diese Kosten nicht mehr tragen. 2018 bezogen rund 318.580 Menschen in Pflegeheimen die sogenannte Hilfe zur Pflege, ein Anstieg von rund sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ein Grund dafür: Die von allen politischen Parteien gewollte bessere Bezahlung der Pflegekräfte wird von den Pflegebedürftigen mitfinanziert.

Ab wann Beitrag von Kindern pflegebedürftiger Eltern?

Auch die Belastung von Kindern pflegebedürftiger Eltern ist ein Riesenthema: Am Donnerstagabend beschloss der Bundestag ein Gesetz, nach dem Kinder pflegebedürftiger Eltern erst ab einem Einkommen von mehr als 100.000 Euro herangezogen werden, um den Lebensbedarf ihrer im Heim lebenden Eltern durch Unterhaltszahlungen zu sichern, wenn deren Einkommen und Vermögen aufgebraucht sind.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat deshalb für das erste Halbjahr 2020 einen Vorschlag zur Finanzreform in der Pflegeversicherung angekündigt. Die Stellschrauben liegen auf der Hand: Höhere Beiträge der Versicherung, Eigenanteile der Pflegebedürftigen und Steuerzuschüsse könnten zur Finanzierung der wachsenden Pflegekosten beitragen.

Vermutlich wird es auf eine Kombination aus allen Elementen hinauslaufen. Schon haben die unterschiedlichen Interessengruppen ihre Vorschläge vorgelegt: Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) wirbt dafür, die eigenverantwortliche private Pflege-Vorsorge auszubauen - durch steuerliche Erleichterungen für die Versicherten. Die Krankenkasse DAK-Gesundheit schlug eine Kombination aus Beitragseinnahmen und Steuerzuschüssen vor. Dadurch soll der permanent steigende Eigenanteil von Pflegebedürftigen für Heimplätze gedeckelt werden.

Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung plädierte jüngst - wie seit langem Grüne, SPD und Linke - für eine Bürger-Vollversicherung. Dabei würde die Trennung zwischen privater und gesetzlicher Versicherung aufgehoben.

Caritas fordert einheitliche Versicherungspflicht

Auch der Deutsche Caritasverband forderte in einem am Freitag veröffentlichten Konzept eine einheitliche Versicherungspflicht für die gesamte Bevölkerung. Aus Sicht des katholischen Wohfahrtsverbandes sollte zudem der Eigenanteil der Pflegebedürftigen an den Pflegekosten begrenzt werden. Die Kosten der medizinischen Behandlungspflege sollten in voller Höhe die Krankenkassen tragen, so Caritas-Präsident Peter Neher. Unterkunft und Verpflegung müssten hingegen weiterhin die Pflegebedürftigen selbst übernehmen. Der Verband sieht zudem die Bundesländer in der Pflicht, Investitionen in die Infrastruktur zu fördern.

Spahn selbst hatte mehrfach betont, er wolle einen fairen Ausgleich schaffen. "Pflege darf nicht arm machen." Vergangene Woche ließ er zudem durchblicken, dass er die Leistungen von Familien stärker berücksichtigen will. Er würde es begrüßen, wenn Kinderlose einen höheren Beitrag für die Demografiereserve der Pflegeversicherung leisten, sagte er in der Katholischen Akademie in Berlin.


Quelle:
KNA
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