Sorgenkind konfessioneller Religionsunterricht?

Den Schülern einfach mal etwas zutrauen

Ist konfessioneller Religionsunterricht an Schulen angesichts sinkender Schülerzahlen und Lehrermangels ein Auslaufmodell? Mitnichten, meint der Fundamentaltheologe Gerd Neuhaus. Dabei komme es aber auf mehrere Komponenten an.

Religionsunterricht in der Schule / © Juan Ci (shutterstock)
Religionsunterricht in der Schule / © Juan Ci ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie waren viele Jahre lang selbst Religionslehrer. Gibt es diesen Beruf vielleicht bald nicht mehr?

Prof. Dr. Gerd Neuhaus (Ehemaliger Religionslehrer und Studiendirektor am Abtei-Gymnasium in Duisburg und außerplanmäßiger Professor für Fundamentaltheologie an der Ruhr-Universität in Bochum): Die Frage ist berechtigt. Ich bin aber optimistisch. Auf der einen Seite sehe ich sehr deutlich, dass das Interesse am Fach Religion abnimmt. Ich sehe die geringer werdende Anzahl der Getauften. Ich sehe auch in großer Sorge, dass das Fach Religion seit vielen Jahren häufig im Ruf steht, ein "Laber-Fach" zu sein.

Wenn sich aber umgekehrt der Religionsunterricht auf seine Sache besinnt und theologisch anspruchsvoll ist, dann ist er nicht nur für Getaufte, sondern auch für Ungetaufte interessant.

DOMRADIO.DE: Man hat manchmal das Gefühl, der Religionsunterricht wird einigermaßen stiefmütterlich behandelt. Er wird zum Teil fachfremd unterrichtet, weil auch die Religionslehrer fehlen. Eine Konsequenz könnte sein, dass man die Schüler egal welcher Religion in einer neutralen Religionskunde unterrichtet. Was halten Sie davon?

Neuhaus: Das halte ich für möglich. Aber da geht etwas ganz Wichtiges verloren. Die katholische Theologie ist in Ihrer Geschichte in besonderer Weise immer einem Vernunftbezug verpflichtet gewesen. Dieser Vernunftbezug, der sich bemüht, Glaubensaussagen in einem Forum zur Sprache zu bringen, das auch den Nicht-Glaubenden offensteht, bedeutet eine große Chance für den Religionsunterricht.

Nur müssen sich Religionslehrer stärker für Theologie interessieren. Das ist leider nicht immer der Fall. Vor allem muss sich aber auch die Theologie stärker vergegenwärtigen, an wie viele Menschen man über den Religionsunterricht herankommt.

DOMRADIO.DE: Sie kritisieren also auch, dass man sich in den Fakultäten nicht immer dieser Chance bewusst ist, die da in den Schulen schlummert?

Neuhaus: Die Theologie in der akademischen Gestalt kreist leider sehr viel um sich selber. Die Tatsache, dass es Disziplinen wie Religionspädagogik, Pastoraltheologie oder praktische Theologie gibt, ist zwar wichtig, bedeutet aber für die anderen Disziplinen immer auch die Gefahr, dass sie zum Alibi werden.

DOMRADIO.DE: Sie haben als Religionslehrer immer sehr kreativ dafür gesorgt, dass Schülerinnen und Schüler das Katholisch-Sein erleben können. Wie denn zum Beispiel?

Neuhaus: Mir ist es tatsächlich einige Male gelungen, mit Schülern der zehnten Klasse in die Kirche zu gehen und den Rosenkranz zu beten. Ich habe mich lange Zeit nicht getraut, so etwas laut zu erzählen, weil so etwas erst einmal als ausgesprochen sektiererisch gilt.

Ich muss allerdings betonen, dass das eine ganz lange Vorgeschichte hat. Es zeugt letztlich von der Erfahrung, dass Schüler nicht in ihrer Lebenswelt eingemauert werden wollen, sondern dass sie das Neue und Befremdliche zunächst einmal interessiert. Davon berichte ich auch in meinem Buch "Glückskekse vom lieben Gott? - Religionsunterricht zwischen Lebensweltorientierung und Glaubensverantwortung". Der Religionsunterricht krankt sehr an dem, was er seinen Lebensweltbezug nennt. Dieser Lebensweltbezug ist sicherlich nicht verkehrt und muss sein. Aber er darf nicht dazu führen, dass man Schüler in ihrer Lebenswelt einschließt. Schüler wollen auch gerade aus ihrem Eigeninteresse heraus über ihren Lebenswelthorizont hinaus gefordert werden.

DOMRADIO.DE: Das heißt, man sollte sich auch nicht anbiedern?

Neuhaus: Auf keinen Fall. Das bedeutet nicht, dass das, wonach Schüler nie fragen würden, sie automatisch interessiert. Aber man darf nicht umgekehrt sagen, dass das, wonach sie nie gefragt hätten, von vornherein uninteressant wäre.

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich für den Religionsunterricht der Zukunft?

Neuhaus: Ich wünsche mir zunächst einmal gerade auch von den deutschen Bischöfen, dass sie sich stärker dafür interessieren, wo der Religionsunterricht funktioniert und warum er funktioniert. Ich selbst habe in einer katholischen Schule unterrichtet. Uns ist es gelungen, im Laufe von zwei Jahrzehnten dem Fach Religion ein so hohes Ansehen zu vermitteln, dass es zum Leistungskurs wurde. Ich habe aber nie festgestellt, dass aus der verantwortlichen Szene der Kirchen oder auch aus dem Bereich der Religionspädagogik uns oder mich jemand gefragt hätte, wie wir das machen.

Die Bischöfe reagieren meiner Meinung nach viel zu sehr auf die augenblickliche Entwicklung, dass das Interesse abnimmt. Sie interessieren sich aber zu wenig dafür, warum der Religionsunterricht mancherorts durchaus funktioniert und ein hohes Ansehen hat. Ich wünsche mir vor allem, dass solche Leute gefördert werden, denen das gelingt.

Das Interview führte Verena Tröster.


Quelle:
DR
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