Soziologe nimmt US-amerikanische Megakirchen unter die Lupe

Woher kommt der ernorme Zulauf?

Sie boomen und boomen: Megakirchen in den USA erhalten laut des Soziologen Thomas Kern "immer mehr Zulauf". Der Professor der Universität Bamberg untersucht das Phänomen und nennt dafür in einer aktuellen Studie drei Gründe.

Gottesdienst in einer US-Megachurch (KNA)
Gottesdienst in einer US-Megachurch / ( KNA )

Diese sind demnach: weniger Bindung an kirchliche Traditionen, religiöse Selbstverwirklichungsmöglichkeiten und geringe Zugangsbarrieren für Neumitglieder, wie die Hochschule am Dienstag mitteilte.

Evangelikal ausgerichtete Gemeinden

In den USA gibt es den Angaben zufolge schätzungsweise 1.700 Megakirchen. Dabei handele es sich um evangelikal ausgerichtete Gemeinden mit mehr als 2.000 sonntäglichen Besuchern. In die größte Gemeinde, die Lakewood Church in Houston, strömten am Wochenende bis zu 40.000 Menschen.

Diesen Erfolg untersuchte Kern mit seiner Mitarbeiterin Insa Pruisken im Rahmen einer Fallstudie. Ihre erste Erkenntnis: Vor allem junge Menschen fühlten sich oft nur noch locker mit den ethnischen Herkunftsgruppen und religiösen Traditionen verbunden, in denen sie aufgewachsen seien. "Wer sich nicht mehr so stark mit dem religiösen Hintergrund der eigenen Familie identifiziert, aber dennoch christlich bleiben möchte, kann mitunter durch die religiöse 'Popkultur' in der Kirche gehalten werden", so Kern.

Populäre Musik und alltagsrelevante Predigten

Zweitens rückten religiöse Selbstverwirklichung und spirituelle Erfahrungen in den Vordergrund. "Um das subjektive Wohlbefinden der Besucher zu steigern, setzen Megakirchen auf populäre Musik, unterhaltsame und alltagsrelevante Predigten und Kindergottesdienste mit vielseitigen Programmen", so Pruisken.

Drittens sänken die Zugangsbarrieren für neue Mitglieder. Religiöse Inhalte wie Predigten würden digital verbreitet. Die kulturelle Grenzziehung zwischen religiöser und säkularer Welt werde so tendenziell abgebaut.

Kern zufolge ist das eine neue gesellschaftliche Entwicklung, die sich auf den Protestantismus in den USA insgesamt auswirkt: "Es scheint sich eine neue institutionelle Logik durchzusetzen, die den Regeln eines Marktes folgt." Lokale Gemeinden entwickelten sich zu religiösen Wettbewerbern mit eigenen Identitäten und Zielen. Sie nähmen die Gläubigen öfter als religiöses "Publikum" wahr, an dessen Ansprüche sie ihr Angebot anpassen müssten.

Kern und Pruisken haben zur Marktlogik im US-Protestantismus ein neues Forschungsprojekt gestartet. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert es bis 2022 mit etwa 400.000 Euro.


Quelle:
KNA