Vor 100 Jahren wurde der Johannesbund gegründet

Mit Wohnungslosenfürsorge in die Zukunft

In den 100 Jahren seines Bestehens hat der Johannesbund zahlreiche Veränderungen erlebt. Einst war die "Katholische Schriften-Mission" sein Flaggschiff, heute ist es die Sorge um Menschen in sozialen Schwierigkeiten.

Autor/in:
Angelika Prauß
Ein Wohnungsloser auf einer Treppe / © PLotulitStocker (shutterstock)
Ein Wohnungsloser auf einer Treppe / © PLotulitStocker ( shutterstock )

Lange war der kleine rheinische Weinort Leutesdorf in der kirchlichen Welt ein Begriff. "Leutesdorf - das ist doch da, wo die Schriften herkommen...", erinnert sich Schwester Gabriele Kranz. Die 69-jährige Johannesschwester ist die letzte Deutsche, die 1980 in den Orden eingetreten ist. "Eigentlich wollte ich in die Mission, aber dann bin ich in der Schriftenmission gelandet", erinnert sie sich schmunzelnd.

Die "Katholische Schriften-Mission" war lange "das" Flaggschiff des Johannesbundes, der vor 100 Jahren, am 15. Oktober 1919, gegründet wurde. In Spitzenzeiten wurden dort in Kooperation mit 70 Verlagen rund 1.800 verschiedene Kleinschriften zur Katechese und geistlichen Erbauung produziert, darunter Titel wie "Die Hoffnung" und "Der Rufer"; der "Krankenbrief" hat bis heute Bestand.

Von Johannes Maria Haw gegründet

Gründer des Johannesbundes war Johannes Maria Haw. 1895 zum Priester geweiht, lernte er als Pfarrvikar in seiner Gemeinde die verheerenden Folgen von Alkoholismus kennen. Als Trierer Diözesanbeauftragter des Mäßigkeitsbundes warb er für Alkoholabstinenz und wurde ein führender Vertreter der katholischen Mäßigkeitsbewegung in Deutschland.

Zugleich erkannte er, dass Alkoholkranke nicht nur medizinische und soziale Hilfe, sondern auch geistliche Unterstützung brauchten. So gründete er 1919 den Johannesbund. Denn nach dem Ersten Weltkrieg sollte sich die laienapostolische Gemeinschaft für die religiöse Erneuerung der Welt einsetzen - auch mithilfe entsprechender Schriften.

Bereits 1912 hatte er sich im rheinischen Weinort Leutesdorf niedergelassen und dort ein Haus erstanden. Fortan bot er in dem "Sanatorium" Alkoholikern und gefährdeten Menschen Exerzitien zur Stärkung ihres Durchhaltewillens an. Mit Spott verfolgten die Dorfbewohner, dass so mancher Sanatoriumsgast der Versuchung in dem Weindorf erlag. Haw ließ sich davon nicht beirren und gründete zwei Ordensgemeinschaften: die Johannesschwestern von Maria Königin und die Missionare vom Heiligen Johannes dem Täufer.

Die Sorge um Obdachlose war Haw neben der geistlichen Erneuerung ein Herzensanliegen. Erste Berührungspunkte gab es 1924, als er auf Bitten eines Freundes in Berlin ein Obdachlosenheim übernahm. Die Betreuung wohnungsloser Menschen sollte zu einem wesentlichen Standbein des Johannesbundes werden; noch heute gibt es in Leutesdorf, aber auch in Köln und Bonn entsprechende Einrichtungen.

"Katholische Schriften-Mission"

Derweil wurden die von Ordensleuten mitverfassten Schriften immer professioneller produziert. Schon 1921 war ein Drucker mit einem kleinen Maschinenpark zu der Gemeinschaft in Leutesdorf gestoßen. Mit seiner Unterstützung entstand ein Verlag, der christliche Kleinschriften herausgab und immer leistungsfähiger wurde. 1927 gründete Haw - inspiriert von der englischen Catholic Truth Society - die "Katholische Schriften-Mission". Fast 90 Jahre war sie die wohl bekannteste Versandeinrichtung für religiöse Kleinschriften zur Glaubensunterweisung in Deutschland.

"Nach dem Krieg haben die Brüder mit dem Köfferchen Pfarreien besucht und ihre Schriften angepriesen", erinnert sich Johannesmissionar Bernhard Priebe. "Weil es noch keinen Fernseher und wenig zu lesen gab, waren die Schriften ein großer Erfolg", sagt der 88-jährige Hausgeistliche der Gemeinschaft. 1947 ging allein "Die Hoffnung" mit einer Auflage von 600.000 Exemplaren an den Start. Geistliche Lektüre, Schach und Halmaspiele seien damals eine Abendbeschäftigung gewesen, so Priebe.

Schon Ende der 1950er Jahre habe es die Schriftenmission allmählich schwerer gehabt, weil die Erzeugnisse nur über die Schriftenstände in Kirchen und nicht im Buchhandel verkauft wurden. Zunehmende Säkularisierung, neue Medien und anderes Medienverhalten taten später ein Übriges. 2015 wurde die Schriftenmission an den Peter-Verlag in Rothenburg verkauft.

Betreuung von Wohnungslosen und entlassenen Strafgefangenen

Auch der Johannesbund und die aus ihm hervorgegangenen Orden und Ordenseinrichtungen hatten in den 1960er Jahren ihre Blütezeit bereits überschritten. So kamen ab den 60er Jahren Johannesmissionare und -schwestern aus Afrika und Indien, um hierzulande die Mission fortzuführen. 

Aufgrund von Überalterung und fehlendem Nachwuchs wurden Immobilien wie das Exerzitienhaus aufgegeben. Heute kümmert sich die Johannesbund gGmbH vor allem um die Betreuung von Wohnungslosen und entlassenen Strafgefangenen, aber auch um Senioren im südhessischen Weiterstadt. "Der Geist von Pater Haw lebt in diesen Einrichtungen fort", erklärt Geschäftsführerin Andrea Jansen. 230 weltliche Mitarbeiter kümmern sich dort derzeit um 620 Betreute - 80 Senioren und 540 "Menschen in sozialen Schwierigkeiten".

Für Haw, der für das Laienapostolat geworben hat, dürfte das ein guter Weg sein. Bei Frauen, jungen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren sowie von Altersarmut betroffenen Senioren sieht Jansen einen wachsenden Betreuungsbedarf. Bei den meisten werde ihre ohnehin angeschlagene Situation durch eine Suchtproblematikverschärft. In Leutesdorf werde derzeit ein Hausausbau überlegt, um mehr Plätze für Frauen zu haben. Derzeit sind es acht Plätze, "aber wir könnten doppelt so viele aufnehmen".


Quelle:
KNA