Internationaler Tag der Freundschaft

Freundschaftliches Verhältnis der europäischen Länder bemerkenswert

Am Internationalen Tag der Freundschaft wollen die Vereinten Nationen das freundschaftliche Verhältnis unter den Völkern fördern. Denn so könnten die Ursachen der weltweiten Konflikte angegangen werden. Ist Europa ein Paradebeispiel dafür?

Tag der Freundschaft / © fizkes (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Am 30. Juli feiern wir den Internationalen Tag der Freundschaft. Ausgerufen wurde dieser Gedenktag von den Vereinten Nationen. Der Tag soll an die Bedeutung der Freundschaft zwischen Personen, Ländern und Kulturen erinnern. Was macht eigentlich eine gute Freundschaft aus?

Dr. Ingo Rohrer (Institut für Ethnologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg): Es ist schwierig zu sagen, was eine gute Freundschaft ausmacht, weil es in jeder Freundschaft so etwas wie einen Aushandlungsprozess gibt. Die Vorstellung von Vertrauen und die Praktiken in Bezug auf Freundschaft, die man von dem jeweils anderen erwartet, müssen übereinstimmen.

Eine gute Freundschaft beruht nicht auf Gleichheit und ebenwertigen Austausch, sondern es muss ein gutes Verständnis darüber geben, was der eine vom anderen erwartet. Letztlich geht es darum, dieses Andere in verschiedenen Formen auszudrücken.

DOMRADIO.DE: Gibt es bei Freundschaft regionale beziehungsweise kulturelle Unterschiede? Versteht man in Europa dasselbe unter dem Begriff Freundschaft wie beispielsweise in China?

Rohrer: Ja, es ist in der Tat so, dass es Unterschiede dahingehend gibt, welche Begriffe es gibt, die mit Freundschaft verbunden sind. Es gibt aber auch unterschiedliche Praktiken: Was macht man in einer Freundschaft? Wie tauscht man sich aus? Welche Vorstellungen hat man davon, was Freundschaft bedeutet, und welche Funktion sie im Leben einer Person übernimmt?

Aber, obwohl es Unterschiede in den Begriffen, Praktiken und vielleicht auch in den Wertvorstellungen von Freundschaft gibt, ist diese persönliche Nahbeziehung universell, es gibt sie auf der ganzen Welt - aber eben unterschiedlich ausgestaltet.

DOMRADIO.DE: Welchen Einfluss haben denn die zunehmend an Bedeutung gewinnenden sozialen Medien auf unser Modell von Freundschaft?

Rohrer: Da gibt es in der Tat in der Wissenschaft großen Streit darüber. Die Forschenden befürchten, dass durch so etwas wie Facebook das US-amerikanische Freundschaftsbild sich über die Welt ausbreitet. Andere Forscher argumentieren dagegen und sagen nein, diese sozialen Medien werden kreativ von Menschen genutzt, die letztendlich ihre eigenen persönlichen Nahbeziehungen dort zum Ausdruck bringen und pflegen.

Während die einen sagen, wir haben ein Problem, die sozialen Medien kolonisieren letztendlich die Welt durch einen bestimmten Freundschaftsbegriff, gibt es auch andere, die da wesentlich optimistischer sind und sagen, keine Bange, Menschen sind kreativ in ihrem Umgang. Sie eignen sich die Medien eher an und benutzen sie so, wie sie sie für richtig halten.

Rohrer: Welche Position nehmen Sie denn in dieser Debatte ein?

Rohrer: Ich würde auch eher vermuten, dass Menschen kritisch mit diesen Medien umgehen und sie sich zunutze machen können. Nur weil Facebook zum Beispiel mit einem Freundschaftsbegriff arbeitet, wissen Menschen trotzdem genau, dass sie dort nicht nur Freunde versammelt haben, sondern Bekannte, Verwandte, überlappende Beziehungen zwischen Verwandtschaft und Freundschaft und auch Zufallsbegegnungen, die mithilfe dieses Systems organisiert werden, damit man sie im Blick behalten kann.

Dabei wissen die Leute meistens schon sehr genau Bescheid, wer denn ihr wirklicher Freund ist oder einfach nur ein Facebook-Freund.

DOMRADIO.DE: Freundschaft ist eine Tür zwischen zwei Menschen. Sie kann manchmal knarren, sie kann klemmen, aber sie ist nie verschlossen. So sagt eine Lebensweisheit. Was können denn Gründe dafür sein, dass die besagte Tür mal klemmt?

Rohrer: Es gibt immer ein Ungleichgewicht zwischen dem, was Menschen von dem Freund oder der Freundin erwarten und dem, was die Freunde erfüllen können. Das ist eigentlich das Grundprinzip. Das heißt, wenn man von der anderen Person fordert, vertrauensvoll mit Informationen umzugehen, und diese Anforderungen enttäuscht wird, dann kommt es zu Brüchen oder Diskrepanzen zwischen den Wertvorstellungen und den tatsächlichen Praktiken.

Aber es gibt  auch Freundschaften, die nicht mit einem großen Knall enden müssen oder bei denen es zu schweren Konflikten kommt, sondern bei denen es eine lebensgeschichtliche Entwicklung von Personen gibt, die dann andere Erwartungen und Bedürfnisse an ihre Freunde haben, wodurch sich dann neue Freundschaften entwickeln müssen, beziehungsweise alte Freundschaften langsam abebben oder sich die Freundschaft einfach auseinanderentwickelt.

DOMRADIO.DE: Der Internationale Tag der Freundschaft steht nicht nur für die zwischenmenschliche, sondern auch für die Freundschaft zwischen Ländern und Kulturen. Wie beachtlich finden Sie es, dass in Europa nach zwei blutigen Weltkriegen ein überwiegend freundschaftliches und friedliches Verhältnis zwischen den Ländern und Kulturen vorherrscht?

Rohrer: Das finde ich wirklich erstaunlich und eine wichtige Errungenschaft, die nach zwei Weltkriegen erkämpft wurde. Das hat sehr viel auch mit den persönlichen Einstellungen und persönlichen Freundschaftserfahrungen zu tun, die man zum Beispiel im Urlaub machen konnte, bei Schüleraustauschen und all diesen Begegnungen, bei denen es über den Rahmen einer Freundschaft zwischen Ländern auch in das ganz Persönliche hineingeht und zwischenmenschliche Beziehungen gepflegt werden konnten.

Das heißt, es gibt Annäherung auf großer Ebene politischer Art, aber die sind immer begleitet von ganz alltäglichen Verbindungen. Ich denke, es ist für alle menschlichen Beziehungen wichtig, offen zu bleiben, sich mit Andersartigkeit auseinanderzusetzen und vielleicht auch gemeinsame Vorstellungen und Werte zu identifizieren, auszudifferenzieren und zu kommunizieren.

Das Interview führt Moritz Dege.


Quelle:
DR
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