Alter Hut und neuer Trend: Darum geht's bei Second Hand

Sozialdienst katholischer Frauen verkauft getragenen Stoff

T-Shirts sind Vielflieger. Ihre Rohstoffe und sie selbst reisen bis zu vier Mal um die Welt, bevor sie auf den Ladentisch kommen. Und landen dann oft rasch im Müll. Abhilfe leisten da zum Beispiel Second-Hand-Läden.

Autor/in:
Sabine Just
Kleidung im Second Hand Laden / © seeshooteatrepeat (shutterstock)
Kleidung im Second Hand Laden / © seeshooteatrepeat ( shutterstock )

Erika Jäger geht einmal im Monat auf die Pirsch:

Im Second-Hand-Laden "Rock und Rolli" des Sozialdienstes katholischer Frauen im nordrhein-westfälischen Ratingen hält sie Ausschau nach schönen, günstigen Kleidungsstücken. Die Räume sind wie ein richtiges Bekleidungsgeschäft mit Umkleiden ausgestattet, alles hängt ordentlich auf Bügeln und ist etikettiert. Es gibt eine separate Schuhabteilung -  und wer Zeit hat, kann zwischendurch auf der Terrasse einen Kaffee trinken.

"Es ist wirklich schön eingerichtet hier", sagt die Seniorin und lächelt. Sie ist eine Kundin der ersten Stunde: seit 20 Jahren gibt es den Laden; seit 20 Jahren kommt sie hierhin, aus Überzeugung. Denn auch wenn Nachhaltigkeit Ende der 1990er noch kein so akutes Thema war - ihr ist schon lange wichtig, "dass die Sachen aufgebraucht und nicht einfach weggeworfen werden."

"Kleider müssen als Wertgegenstände angesehen werden"

Von der Wegwerfmentalität in Sachen Kleidung müssten sich die Konsumenten dringend verabschieden, so Wilfried Wunden, Experte für fairen Handel beim Bischöflichen Hilfswerk Misereor. "Kleider müssen wieder als Wertgegenstände angesehen werden", fordert er. Gerade die Textilindustrie sei eine Branche, in der die wahren sozialen und ökologischen Folgekosten nicht in die Produkte eingepreist würden.

Wer sich also einmal Gedanken über den ökologischen Fußabdruck der trendigen Klamotten aus den Läden angesagter Mode-Labels macht, der kann leicht ins Grübeln kommen. Aber der Umwelt zuliebe auf Trends verzichten?

Individuell und nachhaltig

"Ich trage lieber meinen individuellen Style", sagt die 26-jährige Daniela. Lange schwarze Haare, geblümtes Sommerkleid, Sandalen. "Und wo sonst finde ich Vintage-Klamotten und dazu fast neue Sachen in ein- und demselben Laden?" Die Kleidung sei einwandfrei, versichert sie. Teilweise sind hochwertige Stücke dabei, die sie für ein paar Euro mitnehmen kann.

Sie stöbert regelmäßig bei "Rock und Rolli" - und findet eigentlich immer etwas. Heute sind zwei Kleider und Nachtwäsche in ihrem Korb gelandet. "Ich möchte gerne meiner kleinen Tochter ein Vorbild sein. Sie ist anderthalb und soll lernen, dass man nicht ständig neue Sachen kaufen muss."

Der individuelle Stil und das Bewusstsein für Nachhaltigkeit - gerade bei jungen Leuten könnte sich das zu einem Trend entwickeln, beobachtet Daniela Pilipic, die bei "Rock und Rolli" arbeitet. "In jüngster Zeit kommen vermehrt Schüler und Studenten zu uns und schauen sich um." Ganz sicher sei bei vielen Jugendlichen das Geld knapp und ein Schnäppchen Gold wert, überlegt sie. Aber die Generation Fridays for Future scheint auch das Thema Second Hand auf dem Schirm zu haben.

Verhaltensänderung ist "ethische Akrobatik"

Eine Verhaltensänderung kann erst eintreten, wenn ein Sachverhalt überhaupt bewusst ist. Natürlich werden "individuelle Verhaltensänderungen nicht sofort etwas bewirken", so Thomas Seibert von der Hilfsorganisation medico international. "Sie sind mehr eine Art ethische Akrobatik. Aber wenn Leute fragen, woher die Kleidung kommt, unter welchen Bedingungen sie hergestellt wird, dann beginnt ein Prozess, an dessen Ende größere Veränderungen stehen."

Zum Beispiel Verbesserungen für die Näherinnen in Bangladesch, weil die Kunden in den Industrienationen bereit sind, durch höhere Preise bessere Arbeitsbedingungen zu finanzieren. "Man hat aber leider gemerkt, dass die Firmen, die die Bedingungen für die Arbeiterinnen verbessern, Schwierigkeiten bekommen, konkurrenzfähig zu bleiben", beklagt Misereor-Experte Wunden.

Er hält neue Gesetze für die Textilindustrie dringend für nötig, zum Beispiel, dass Unternehmen ihre Lieferketten vom Baumwollfeld bis zur Konfektionierung transparent machen müssen. Damit diese dann im besten Fall, Umwelt und Mensch zuliebe, nicht mehr vier Mal um die Welt gehen.

Die Lieferkette von Erika Jägers Kleidern ist wesentlich kürzer. Sie reicht von einem Schrank in den nächsten. Denn sie erweitert das Prinzip Second Hand noch einmal: "Wenn ich dann zuhause meinen Kleiderschrank aufräume, bringe ich die Sachen, die mir nicht mehr gefallen, wieder hierhin."


Quelle:
KNA