Leiter des katholischen Büros in NRW verurteilt Morddrohungen

"Drohungen sehr ernst nehmen"

Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke haben mehrere Politiker Morddrohungen erhalten, darunter die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Die katholische Kirche in NRW verurteilt die Eskalation.

Städte-Bund: Schwelle bei Drohungen gegen Politiker sinkt / © Jan Woitas (dpa)
Städte-Bund: Schwelle bei Drohungen gegen Politiker sinkt / © Jan Woitas ( dpa )

DOMRADIO.DE: Nach dem Mord und den Morddrohungen zeigten sich viele schockiert. Es gab Äußerungen wie, so etwas hatten wir zu einer längst vergangen geglaubten Zeit schon einmal. Wie geht es Ihnen damit?

Antonius Hamers (Leiter des katholischen Büros in NRW): Auch ich habe sofort an den Terrorismus der RAF gedacht, aber auch an die gewaltsamen Auseinandersetzungen der Weimarer Republik. Mir fielen sofort Namen wie Matthias Erzberger ein, der Zentrums- und Finanzpolitiker, der in den zwanziger Jahren zur Zeit der Weimarer Republik ermordet wurde.

DOMRADIO.DE: In diesem Schreiben heißt es unter anderem wörtlich, die „Phase bevorstehender Säuberungen" wurde mit Walter Lübcke eingeleitet. Haben Sie Angst vor dem, was da auf uns zu zukommen droht?

Hamers: Ich vertraue natürlich den staatlichen Ermittlungsbehörden und auch den Strafverfolgungsbehörden. Aber ich glaube schon, dass man das sehr ernst nehmen und insofern da auch drauf reagieren muss.

DOMRADIO.DE: Haben Sie als kirchlicher Vertreter, der ja auch mit den Politikern im Gespräch ist, irgendwelche Möglichkeiten sich einzubringen?

Hamers: Ich habe zumindest die Möglichkeit mit Menschen darüber zu sprechen, Mut zu machen und mit dafür zu sorgen, dass eine geordnete und gute politische Auseinandersetzung stattfindet, in dem ich mich selber mit einbringe, vermittle, mit Menschen spreche.

DOMRADIO.DE: Der Kölner Stadtdechant Robert Kleine hat gestern bei uns im Interview einen großen gesellschaftlichen Aufstand der Anständigen gefordert. Halten Sie das für den richtigen Weg?

Hamers: Ich glaube schon, dass die politische Mitte und die politisch Anständigen deutlich machen müssen, dass Gewalt keine Form der politischen Auseinandersetzung ist, sondern dass es darum geht, politische Auseinandersetzungen mit demokratischen Mitteln, mit Argumenten und Mehrheiten zu führen. Auf keinen Fall darf man in irgendeiner Form zu körperlichen Auseinandersetzungen greifen oder Menschen mit dem Tode bedrohen und sie auf diese Art und Weise mundtot machen.

DOMRADIO.DE: Der AfD wird vorgeworfen, sie distanziere sich nicht ausreichend.

Hamers: Zunächst muss man sagen, dass sich einige von der AfD sehr wohl deutlich von dem Mord an Walter Lübcke distanziert haben. Es mag sein, dass es da von mancher Seite noch eine deutlichere Distanzierung geben könnte. Aber ich habe da - im Moment jedenfalls - keinen Grund der AfD die klare Schuld zuzuweisen.

DOMRADIO.DE: Was glauben Sie, woher kommt diese Eskalation? Man hat das Gefühl, die Gräben in der Gesellschaft werden immer größer und die Debatten werden immer unerbittlicher geführt.

Hamers: Den Eindruck habe ich auch, sowohl auf der rechten wie auf der linken Seite. Es wird eine politische Auseinandersetzung geführt, wie wir sie nicht führen können. Was ich mit Sorge beobachte ist, dass es manchmal an Einsicht darin mangelt, dass Demokratie auch durch den Kompromiss funktioniert und dass man sich darum bemühen muss, gemeinsam vernünftige Lösungen zu suchen. Es geht nicht darum einzig und alleine die eigene Lösung durchzusetzen, koste es was es wolle.

DOMRADIO.DE: Vielleicht auch weil zu einfache Lösungen gesucht werden? Weil man immer sofort die perfekte Antwort präsentieren will?

Hamers: Demokratie ist mitunter eben auch anstrengend und auch kompliziert, weil es auch darum geht einen gemeinsamen Kompromiss zu suchen. Der Kompromiss wird ja teilweise auch diskreditiert, indem gesagt wird, dass das eine schlechte politische Lösung ist. Das ist aber nicht der Fall. Demokratie lebt davon, dass Mehrheiten gewonnen werden und zwar auf eine demokratische Art und Weise, nicht durch Gewalt, sondern durch die Mittel der Überzeugung und des Arguments. Das ist mitunter schwierig und dem wollen sich offensichtlich einige Kräfte nicht mehr aussetzen, weil sie der Meinung sind, dass eine gewalttätige Auseinandersetzung die einfachste Lösung ist. Das ist sie aber selbstverständlich nicht.

DOMRADIO.DE: Verstehe ich Sie richtig, dass Sie da durchaus Sympathien haben für die Position, die der Altbundespräsident Joachim Gauck, gerade vertritt? Er sagt: Wir müssen mehr offene Debatten führen und nicht das rechte oder rechtskonservative Milieu kriminalisieren.

Hamers: Kriminalisieren sollte man natürlich diejenigen, die rechts oder links zur Gewalt aufrufen, die zu Hass aufrufen, die unser demokratisches System in Frage stellen. Da muss man auch ganz klar eine Grenze ziehen und sich gegen abgrenzen. Das steht für mich völlig außer Frage. Darüber hinaus muss man aber schon sehen, dass man die beiden politischen Pole rechts und links irgendwie zusammenhält, dass man immer wieder bei den Menschen auf beiden Rändern dafür wirbt, dass sie ihre Auseinandersetzung innerhalb der demokratischen Spielregeln suchen und sie nicht sozusagen daraus ableiten. Das ist wichtig. Es gibt selbstverständlich auch in einer Gesellschaft Tabus, zum Beispiel Gewalt, das steht völlig außer Frage. Aber zugleich muss sie sich natürlich auch mit mancher abstrusen Meinung politisch auseinandersetzen. Ich kann nicht einfach sagen, dass bestimmte politische Positionen nicht mehr diskutabel sind, sondern ich muss mich dem stellen und deutlich machen, welche Argumente ich dagegen habe. Gegen solche abstrusen Positionen gibt es genügend gute Argumente.

Das Gespräch führte Matthias Friebe. 


Pfr. Dr. Antonius Hamers / © Achim Pohl
Pfr. Dr. Antonius Hamers / © Achim Pohl
Quelle:
DR