Laut Studie 2.200 Beratungsgespräche zur vertraulichen Geburt

"Hilfen kommen an"

Das Gesetz zur vertraulichen Geburt soll Frauen in Notlagen eine anonyme Entbindung ermöglichen und zugleich das Recht des Kindes auf das Wissen um seine Herkunft festschreiben. Experten meinen, dass der Spagat gelingt.

 (DR)

Die Anruferin klingt verzweifelt: Sie ist hochschwanger, die Wehen kommen bereits alle sieben Minuten. Niemand weiß von ihrer Schwangerschaft, und es soll auch keiner erfahren. Die Frau am anderen Ende der Leitung versucht, schnell und unkompliziert zu helfen. Ein Rettungswagen wird organisiert, der zu einer verabredeten Stelle fährt, um die schwangere Frau aufzunehmen.

Schließlich kann sie ihr Kind zur Welt bringen - in einem Krankenhaus. Und sie braucht den Ärzten ihren Namen nicht zu nennen. Stattdessen notiert sie ihn, legt das Schreiben in einen verschlossenen Umschlag, der an sicherer Stelle aufbewahrt wird. Einsehbar ist er nur für ihr Kind, wenn es 16 Jahre alt ist.

Seit fünf Jahren ist eine vertrauliche Geburt möglich

Fälle wie dieser sind Alltag für die Mitarbeiterinnen des Hilfetelefons für Schwangere in Notsituationen. Frauen verdrängen ihre Schwangerschaft oder verheimlichen sie - etwa weil sie in keiner intakten Beziehung leben oder Opfer sexueller Gewalt wurden; weil sie nicht wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen.

Seit fünf Jahren ist eine solche - vertrauliche - Geburt möglich. Sie soll verzweifelten Müttern in einer scheinbar ausweglosen Situation helfen, wenn niemand von der Schwangerschaft erfahren soll. Die Mutter kann medizinisch betreut entbinden und bleibt anonym. Zugleich soll das entsprechende Gesetz das Recht des Kindes auf das Wissen um seine Herkunft festschreiben.

Entscheidet sich die schwangere Frau für eine vertrauliche Geburt, werden ihre Daten in einer Herkunftsurkunde festgehalten. Diese werden versiegelt im Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben aufbewahrt, wo sie das Kind ab dem 16. Lebensjahr einsehen kann.

Nur in speziell begründeten Fällen kann die Mutter ihre Anonymität aufrechterhalten. So muss sie dann nachweisen, dass ihr durch die Einsicht des Kindes "eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Belange erwachsen kann".

Starker Anstieg bei den anonymen Kindsabgaben

Experten meinen, dass dieser Spagat gelingt: Die Zahl der ausschließlich anonymen Geburten - dazu zählt auch die Babyklappe - ohne medizinische Betreuung und dem Hinterlegen des Namens gehe zurück. Das ist nun auch Ergebnis einer Evaluierung, die Familienministerin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag in Berlin vorstellte: Danach gab es seit Einführung des Gesetzes rund 570 vertrauliche Geburten und rund 2.200 Beratungsgespräche.

Von den beratenen Frauen entschieden sich demnach knapp ein Viertel zu einem Leben mit dem Kind und etwas mehr als ein Fünftel zu einer vertraulichen Geburt. 13,7 Prozent gaben ihr Kind zu einer regulären Adoption frei. Fast 12 Prozent der Frauen entschieden sich für einen Schwangerschaftsabbruch.

Der starke Anstieg bei den anonymen Kindsabgaben, der nach Ministeriumsangaben in den Jahren zuvor feststellbar war, geht demnach zurück. So wurden vor vier Jahren 157 Kinder anonym abgegeben, im Jahr 2016 waren es 151 Kinder. Zuvor war die Zahl in den Jahren von 2003 bis 2013 von 46 auf 147 gestiegen. Hätte sich dieser Trend fortgesetzt, wären für die Folgejahre deutlich mehr anonyme Kindsabgaben zu erwarten gewesen, sind sich die Experten sicher.

In ein paar Jahren können die Kinder, deren Mütter heute die vertrauliche Geburt in Anspruch nahmen, ihre Herkunftsurkunde einsehen. Wie wichtig das für die Kinder sein kann, erläuterte Carmen Thiele vom Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien. Die biologische Herkunft sei Teil der Identität, betonte sie. Somit spiele Herkunft eine enorme Rolle.

Von Birgit Wilke


Quelle:
KNA
Mehr zum Thema