In der Nacht auf den 1. Mai geht es vielerorts hoch her

Gefällt, gestellt, geklaut

In der Nacht zum 1. Mai herrscht deutschlandweit ein buntes Treiben. Maitraditionen - so weit das Auge reicht. Im Zentrum aller Freude: der Maibaum. Mal wird er durchs ganze Dorf geschleppt, mal geklaut.

Autor/in:
Christian Michael Hammer
 (DR)

"Komm, lieber Mai, und mache die Bäume wieder grün, und lass mir an dem Bache die kleinen Veilchen blühn!" - so lautet die erste Zeile eines Mailieds von Christian Adolph Overbeck zur Melodie von Wolfgang Amadeus Mozart. Der Mai ist für die Deutschen seit Generationen ein besonderer Monat. Es wird wärmer, alles blüht - Frühlingsgefühle kommen auf. Und das ist Anlass für ausgiebige Feiern und viel Brauchtum.

Maibaumstellen hat Tradition

So verschieden die Traditionen auch sind - ein Maibaum darf vielerorts nicht fehlen. Besonders in Bayern und in Westdeutschland ist das "Maibaumstellen" eine beliebte Sitte. Ein Liebender stellt seiner "Angebeteten" als Liebesbeweis einen Baum - meist eine Birke - vor die Tür. Sägen, den Baum schmücken, transportieren, ein Herz lackieren und beschriften - und alles dann zur Holden karren und montieren, all das gehört dazu. In Schaltjahren ist es umgekehrt, da sind es junge Frauen, die ihre Partner mit einem Baum überraschen.

Wer sich das Prozedere ersparen will, der kann mittlerweile einen Baum a la Carte bestellen; "maibaulieferung.de" leistet Abhilfe. Mit 80 Euro ist Man(n) dabei. Ein kurzer Anruf bei Erwin Szudera und seinem Kölner Team, und die geschmückte Birke wird fachgerecht bei der Liebsten montiert. "Wir wollen Menschen eine Freude machen, und so können die Paare auch noch in der Mainacht Zeit miteinander verbringen. Es muss sich niemand um den Baum kümmern, das machen wir", erklärt der Chef vom Baumlieferservice.

Prozession durch die Ortschaften

Vielerorts werden zum 1. Mai auch Maibäume auf dem Dorfplatz aufgestellt. Je nach Region gibt es dabei zudem eine Prozession durch die Ortschaften, in Bayern oft begleitet von einer Blaskapelle. Nach alter Tradition geht das ohne Motorkraft. Zum Aufrichten liegen die girlandengeschmückten Stämme auf gekreuzten Stangen, den sogenannten Schwalben oder Scherstangen. Am Baum wehen Girlanden und bunte Bänder. Wappen von Schützen, Sportvereinen und anderen Gruppierungen prangen in schwindelnden Höhen.

Oft ist die Feuerwehr für die fachgerechte Montage des Dorfmaibaums zuständig. Im Allgäuer Oferschwang will die Wehr in diesem Jahr zum 43. Mal den Baum aufstellen. Ein Koloss von 34 bis 38 Metern ist nicht einfach zu händeln. Der 30-jährige Andreas Jordan sorgt mit seinem Team dafür, dass alles glatt geht. "Einen 1. Mai ohne Maibaum kann ich mir gar nicht vorstellen", sagt er. Jordan ist trotz seiner noch jungen 30 Jahre schon über 20 Mal dabei gewesen. "Da wächst man halt so rein in das Spektakel - das Wetter ist da egal", erzählt er mit einem Lachen. Den Baum holen die Kameraden erst frühmorgens am Feiertag aus dem Wald - um zu verhindern, dass er von Spaßvögeln aus dem Nachbarort entwendet wird.

Ob Dorfbaum oder Birke im Vorgarten - das Maibaum-Stehlen ist die Kehrseite des Brauchtums. Diese zweifelhafte "Tradition" macht der Polizei viel Arbeit. Auch im Kreis Euskirchen sind die Beamten wachsam. So mancher Vorgarten sieht am nächsten Morgen bei Licht betrachtet ziemlich mitgenommen von der nächtlichen Baumstellaktion aus. Plattgetretene Rabatten, zerbrochene Gartenzwerge, leere Bierflaschen. "Der Alkohol senkt die Hemmschwelle, und es kommt bei Streitereien zu Körperverletzungen oder Sachbeschädigungen", erklärt der Sprecher der Polizei Euskirchen, Lothar Willems. Insgesamt gebe es aber weniger Vorfälle als früher, weil die Traditionen nicht mehr so intensiv gepflegt würden.

Ganz anders ist das im Harz. Hier tummeln sich in der Nacht zum 1. Mai verkleidete Hexen auf dem Blocksberg (Brocken) bei ihrer Walpurgisnacht. Und quer durch die Republik tanzen Verliebte und Feierwütige abends "in den Mai".

Versteigern von "Jungesellinnen"

In der Eifel organisieren sogenannte Maikomitees das Versteigern von "Jungesellinnen". "Dabei ersteigern sich die Männer das Recht, ihrer Freundin einen Baum stellen zu dürfen", erklärt Andreas Schröder, der Jahre lang Tänze in den Mai organisiert hat. Teilweise sichern sich die Männer so auch ein Rendezvous. Bei der Auktion bietet die Versammlung zunächst "blind" - also ohne zu wissen, um welche Frau es geht. Nach und nach gibt der Auktionator immer mehr Details über die Dame bekannt. Spätestens dann heißt es für die Verehrer aufpassen und rechtzeitig den Zuschlag zu erhalten, bevor den ein anderer bekommt.

Derb geht es mitunter in Bayern zu. Dort gehört es zu den Bräuchen, statt eines liebevoll geschmückten Baumes einen mit Schund und Unrat überzogenen Besen als Hexensymbol vor das Haus der Verflossenen aufzustellen. Doch es kann noch schlimmer kommen - mit einer Matratze vor der Tür. Die klare Botschaft: "Du bist fremdgegangen - und das soll jeder sehen."


Quelle:
KNA