Neurologin über die Kunst, Ängste zu überwinden

"Mutig ist jeder von uns"

Herzklopfen, Ängste, Sorgen? Das muss nicht so bleiben, sagt die Autorin und Ärztin für Neurologie, Nervenheilkunde und Psychotherapie, Dr. Croos-Müller. Im Interview verrät sie, wie wir unsere Psyche austricksen können.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Es gibt ja viele Leute, die sagen: "Ach, so mutig wie du bist, das kann ich nicht. Das bin ich nicht." Stimmt das? Oder können wir vielleicht lernen, mutig zu sein? 

Dr. med. Claudia Croos-Müller (Ärtzin für Neurologie, Nervenheilkunde und Psychotherapie): Ich weiß es, ich habe es erlebt: Jeder Mensch hat Mut - das müsste man sich mal bewusst machen. Der eine hat etwas mehr Mut, der andere vielleicht etwas weniger. Dass wir auf die Welt gekommen sind, war unsere erste Mutprobe und die haben wir bestanden. So geht es das ganze Leben hindurch weiter.

Mutig ist jeder von uns. Ich finde, das ist schon mal eine ermutigende Erkenntnis. Natürlich können wir das dann auch noch trainieren. Entweder an unseren Eltern als Vorbilder oder wenn wir dann erwachsen sind und glauben, wir müssten noch was drauflegen an Mut. Ja, das lässt sich trainieren. 

DOMRADIO.DE: Genau darüber handelt auch Ihr Buch. Jetzt würde man von einer Ärztin eher ein Buch erwarten, in dem unglaublich viel drinsteht. Aber es ist ein kleines, kompaktes Buch mit ganz vielen Zeichnungen, die auch lustig sind, und Übungen, wie wir unsere Psyche überlisten können. Können Sie mal ein Beispiel nennen?

Croos-Müller: Es gibt ja die Redewendung: "Kopf hoch." Dieses "Kopf hoch" macht mich schon in dem Augenblick, in dem ich es tue, einfach viel mutiger. Die Körperhaltung ist ja immer auch eine innere Haltung oder macht innere Haltung. Ich kann mich aufrichten. Ich kann die Brust etwas vorstrecken. Ich kann breitbeinig auf beiden Beinen stehen.

Ich kann eine Handgeste machen, mit der ich mir zum Beispiel im Spiegel zuwinke oder mir ein kleines Victory-Zeichen zeige. Das verändert meine Haltung zum Mut enorm. Oder ich kann etwas energischer, etwas bewusster gehen. Auch das bringt mich über eine energische Gangart in eine innere Mut-Haltung. Eigentlich ganz einfach. 

DOMRADIO.DE: Das wird ja wahrscheinlich nicht sofort eintreten. Vielleicht kommt man sich anfangs auch ein bisschen albern vor, wenn man mutig durch die Gegend läuft. Wie lange dauert es, bis das in die Psyche übergeht?

Croos-Müller: In dem Moment, in dem ich das tue, melden es meine Nerven dem Gehirn, und im Gehirn entsteht dann dazu auch ein Gefühl von Mut. Ich mache bewusst etwas Mutiges mit dem Körper, und das wird dann dem Gehirn zurückgemeldet. Das Gehirn erkennt "Oh, da ist eine mutige Bewegung, eine mutige Haltung, eine Mutgeste" und produziert dazu ein paar entsprechende Hormone und Neurotransmitter. Danach fühle ich mich tatsächlich anders. Da kommt man sich erst ein bisschen komisch vor.

Die Kinder machen es gleich, deswegen sagt man auch "kinderleicht" und "erwachsenenschwer". Wenn ich meine Erwachsenen-Scham überwinde und das mehrmals am Tag mache, vielleicht sogar jede Stunde, breitet sich dabei schnell eine andere Haltung, eine Mut-Haltung, bei mir aus. 

DOMRADIO.DE: Wir haben das Ganze ein bisschen aus der philosophischen Sicht betrachtet - mit dem Spruch von Aristoteles: "Nur die Mutigen können glücklich werden." Wie sehr hängen in der Psyche der Mut und das Gefühl, glücklich zu sein, zusammen?

Croos-Müller: Mut und Glück hängen enorm zusammen. Denn wenn ich Mut trainiere und Mut habe, dann habe ich auch ein Gefühl von Zuversicht, und das ist das Wichtige. Ich habe dann eine andere Einstellung zur Welt, zu den Menschen, zum Leben. Dieser Satz "Ich schaffe das" oder "Wir schaffen das" hat etwas mit Mut zu tun. Wenn ich Mut übe, komme ich in dieses wichtige Gefühl von Selbstwirksamkeit: "Ich werde das Leben gestalten können für mich und auch im Zusammenhang mit anderen." Und so was macht natürlich glücklich. 

DOMRADIO.DE: Was ist für Sie persönlich Mut?

Croos-Müller: Es gibt viele Aspekte von Mut. Man denkt immer, Mut sei nur etwas zum Vorwärtsgehen und Draufhauen. Aber der Mut, über den wir gesprochen haben, hat eher etwas mit Starkmut und mit Standhaftigkeit zu tun. Aber für mich gibt es auch noch den Großmut, Langmut, Gleichmut oder sogar Demut. Da kommt überall Mut drin vor.

Sanftmut ist auch etwas ganz Wichtiges in unserer Zeit. Wir sind ängstliche Menschen oder hauen drauf. Dazwischen gibt es aber viele Formen von Lebensmut, die wir wirklich trainieren sollten. Deswegen: Hand aufs Herz und einfach auch ein sanftmütiger Mensch sein.


Quelle:
DR
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