Schweizer Ordensfrau mit Weimarer Menschenrechtspreis geehrt

Schwester Lorenas Kampf gegen die Hexenverfolgung

Hexenverfolgung klingt nach Mittelalter, ist aber in Papua-Neuguinea bittere Realität. Die Schweizer Ordensfrau Lorena Jenal kämpft dagegen an, hilft Opfern - und erhält dafür jetzt den Weimarer Menschenrechtspreis.

Autor/in:
Karin Wollschläger
Schwester Lorena Jenal, missio-Präsident Klaus Krämer (m.) und Weimars Oberbürgermeister Peter Kleine / © Martin Schutt (dpa)
Schwester Lorena Jenal, missio-Präsident Klaus Krämer (m.) und Weimars Oberbürgermeister Peter Kleine / © Martin Schutt ( dpa )

Schwester Lorena Jenal erlebt es immer wieder: Frauen werden gefesselt, nackt ausgezogen und mit glühenden Eisenstangen gefoltert - öffentlich auf dem Dorfplatz, vor einer gaffenden Menge.

Was nach einer Grausamkeit des Mittelalters klingt, ist in Papua-Neuguinea ein ganz junges, aber rasant zunehmendes Phänomen: Hexenverfolgung. Unter Einsatz ihres eigenen Lebens kämpft Schwester Lorena gegen diese brutalen Menschenrechtsverletzungen und kümmert sich um die Opfer. Dafür hat die ebenso resolute wie zugewandte 68-jährige Schweizer Nonne an diesem Montag den Weimarer Menschenrechtspreis 2018 erhalten.

In Papua-Neuguinea zu Hause

Aufgewachsen ist Lorena Jenal in einer Bergbauernfamilie in Graubünden als ältere Schwester von vier Brüdern. Schon früh träumte sie von fernen Ländern. Der Eintritt ins franziskanische Kloster Baldegg ermöglichte ihr, diesen Traum zu verwirklichen: 1979 reiste die katholische Ordensfrau nach Papua-Neuguinea. "Ich kam in ein Land, in dem noch die Steinzeit herrschte", erzählt sie. Im Busch des Hochlandes traf sie auf Pfeil und Bogen, auf Frauen in Grasröcken und Männer in Lendenschürzen. Sie traf auf Naturreligionen - und auf offenherzige Menschen, die sie wie ein Familienmitglied aufnahmen: "Ich habe mich sofort zu Hause gefühlt - und blieb."

In den vergangen vier Jahrzehnten beobachtete sie, wie "ein Naturvolk mit voller Wucht von der Steinzeit ins digitale Zeitalter katapultiert wurde". Das überfordere viele Menschen in dem Inselstaat nördlich von Australien schlichtweg. Längst brachte die Moderne nicht nur Annehmlichkeiten, sondern auch Drogen, Waffen, Korruption, Aids.

Täglich betreut Schwester Lorena vergewaltigte oder misshandelte Frauen, testet Menschen auf HIV, hilft beim Ausstieg aus der Prostitution, kümmert sich um Kranke und ausgestoßene Kinder.

Gemeinsam mit ihren Mitschwestern gründete sie etwa "Mama Groups" in verschiedenen Teilen des Landes: Einheimische Frauen, Akademikerinnen wie Bäuerinnen, setzen sich gemeinsam für die Rechte der Frauen, für Bildung und Gleichberechtigung in der sehr Männer dominierten Gesellschaft ein. "Wir versuchen auch die Männer zu sensibilisieren, dass wir sie als Beschützer, Partner und Väter brauchen", erläutert Schwester Lorena.

Zunehmende Hexenverfolgungen

Seit 2012 fällt ihr ein neues Phänomen auf, dass plötzlich Frauen - aber auch Männer - als "Hexe" bezeichnet, verfolgt und teils zu Tode gefoltert werden. Insgesamt schon 44 Fälle von Hexenverfolgungen und -verbrennungen habe sie erlebt, sagt die Ordensfrau. Manche überlebende Opfer betreue und begleite sie immer noch. Und die Situation verschärfe sich enorm. Seit November 2017 haben die Schwestern 17 neue Fälle verzeichnet. Als Ursache vermutet sie auch Entwicklungen der Moderne, in der selbst der Ärmste jetzt ein Smartphone besitzt: "Plötzlich ist eine riesige Welt im Internet verfügbar, mit Gewalt und Pornografie - das sehen die Menschen und sind überfordert."

Und diese Überforderung kippt dann mitunter in archaische Brutalität: "Starke Frauen werden zu Sündenböcken für Unglücke in Stammesgesellschaften gemacht und - weil es keine vermittelnden starken Häuptlinge mehr gibt - entlädt sich die Gewalt gegen diese Frauen mit dem Verbrennen auf dem Scheiterhaufen", berichtet Schwester Lorena. Obwohl sich die Mehrheit der Bevölkerung in Papua-Neuguinea zum Christentum bekennt, ist der Glaube an übernatürliche Kräfte immer noch weit verbreitet.

Unterstützung vom Hilfswerk missio

Unterstützt vom katholischen Hilfswerk "missio" plant Lorena Jenal nun ein breit aufgestelltes Programm, um auf allen gesellschaftlichen Ebenen Aufklärungsarbeit gegen Aberglauben und Hexenverfolgung zu leisten: in Schulen, Familien, Dorfgemeinschaften, bei der Polizei und in den Pfarreien. Es ist eine gewaltige Herausforderung. Doch die Frau mit den kurzen grauen Haaren und dem einnehmenden Lachen nimmt sie zuversichtlich an: "Immer wieder komme ich an meine menschlichen Grenzen. Aber ich habe meine besondere Lebensaufgabe gefunden."


Schwester Lorena Jenal in Papua Neuguinea / © Bettina Flitner/Stadtverwaltung Weimar (dpa)
Schwester Lorena Jenal in Papua Neuguinea / © Bettina Flitner/Stadtverwaltung Weimar ( dpa )
Quelle:
KNA
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