Jeder Mensch benötigt jemanden, der ihm Vertrauen und Liebe schenkt

"Ein neues Licht für die Zukunft"

In der Advents- und Weihnachtszeit ist "Mut" unser großes Thema. Wie aber stehen Mut und Liebe zueinander? Heidi Ruster, die Leiterin der katholischen Ehe-, Familien- und Lebensbertatung Bonn, kann uns hier weiterhelfen.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Stellen wir uns einen Spielplatz vor. Ein Kind, welches vom Klettergerüst in die Arme seines Vaters springt. Ich kann mir vorstellen, dies wäre ohne Liebe kaum möglich.

Heidi Ruster (Leiterin der katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatung Bonn): Ja genau so ist es. Die Liebe hat eine große Schwester und das ist das Vertrauen. Vertrauen in eine starke Bindung, was ein jedes Menschlein braucht, wenn es in diese Welt kommt. Ein Mensch muss diese Resonanz erfahren und gestärkt werden, indem jemand dabei steht und sagt: "Du machst das" und "du kannst das". Diese Person begleitet jede Regung mit Freude. Denken Sie an die Zeit, in der das Kind noch gar nicht auf den Spielplatz gehen kann, wie es krabbelt, in den Hochstand kommt und laufen soll. Da steht die ganze Familie daneben und feuert an, als hätte man es mit einem Marathonläufer zu tun. Das Kind muss in Liebe gehalten werden, um große Sprünge machen zu können.

DOMRADIO.DE: Wenn sich ein junger Erwachsener entscheidet eine Familie zu gründen und in dem Zuge vielleicht sogar einen Berg Schulden anhäuft, um ein Haus zu kaufen, den Job wechselt und noch viele weitere Veränderungen auf einen zukommen, braucht man ein wirklich emotionales Auffangnetz, da immer etwas schieflaufen kann.

Ruster: Die Risiken schauen direkt schon um die Ecke, wenn man Veränderungen wagt. Beispielsweise, wenn sich zwei Menschen das Jawort für ein ganzes Leben geben, wodurch sie im Grunde einen Blankoscheck auf die Zukunft geben. Denn sicher ist überhaupt nichts. Die ganze Zukunft liegt im Dunkeln, da man nie wissen kann, was passiert. Und trotzdem wagen so viele diesen Schritt, der sich nur mit gegenseitigem Vertrauen auf bleibende Liebe erklären lässt.

DOMRADIO.DE: Erleben Sie in ihrer Beratung auch ungeliebte Menschen?

Ruster: Ja, das sind Menschen, die nicht mit diesem sicheren Gefühl groß geworden sind. Diesen Menschen hat niemand positiv zugesprochen und gesagt: "Ja, du schaffst das. Ich hab dich lieb und ich glaube an dich". Meistens kommen die Menschen in die Beratung, wenn sie einen Menschen verloren haben, zum Beispiel durch Trennungen oder durch den Tod. In dieser Ausnahmesituation wird ihnen das ganze Ausmaß, das die Zukunft komplett im Dunkeln liegt, erst richtig bewusst. Dann fängt in der Beratung etwas an, was mit Vertrauen zu tun hat. Menschen öffnen sich zunächst Fremden, aber durch viele Treffen entsteht Beziehung und ich glaube darin ist der Beginn der Heilung. In dieser beginnenden Beziehung wächst etwas wie Vertrauen und Offenheit und genau durch solche Tore geht man hindurch und erreicht einen Menschen. Dadurch fühlt er sich geliebt, denn es gibt im Grunde keinen Menschen, der völlig alleine ist. Man kann diesen Weg beschreiten und schauen, wer da noch für einen da ist. Gibt es solche Engel am Weg und wo waren die? Wieso habe ich es eigentlich bis hierhin geschafft? Und was könnte mich weiterhin tragen? Man muss das Vertrauen in das Leben, in das Lebendige, in die Mitmenschen, so ganz allmählich wieder wachsen lassen. Diese Veränderung geschieht nicht von heute auf morgen, aber in der Beziehung zueinander, die Vertrauen erweckt, besteht auch die Chance, für jeden die Liebe wiederzufinden und neuen Mut zu fassen.

DOMRADIO.DE: Sind Sie ebenfalls ein Engel am Weg, der diesen Menschen hilft?

Ruster: Das hoffe ich doch sehr. Das passiert sicher mal und das ist auch eine große Freude, wenn man erlebt, dass in dieser Beratungsbeziehung tatsächlich ein Aufbruch zu vernehmen ist und ein neues Licht für die Zukunft aufscheint. Das kann in der Beratung starten und auch für eine lange Zeit sehr wichtig sein. Das Schöne ist, dass sich immer mehr Engel dazu geselllen, weil wir sie zu zweit ganz einfach besser sehen können.


Heidi Ruster / © Anja Sabel / Kirchenbote Osnabrück
Heidi Ruster / © Anja Sabel / Kirchenbote Osnabrück