"Gastmahl der Armen" in Berliner St. Hedwigs-Kathedrale

Im Herzen der Kirche

Die St. Hedwigs Kathedrale in Berlin ist zurzeit wegen Umbaus geschlossen. Am Sonntag aber wird sie ausnahmsweise noch einmal offen sein: Dann sind rund 500 Menschen zu einem Drei-Gänge-Menü – einem "Gastmahl der Armen" – eingeladen.

Blick in die St. Hedwigs-Kathedrale  / © Jens Kalaene (dpa)
Blick in die St. Hedwigs-Kathedrale / © Jens Kalaene ( dpa )

DOMRADIO.DE: Organisiert und durchgeführt wird das "Gastmahl der Armen" vom Dezernat Seelsorge des Erzbistums Berlin und der Gemeinschaft Sant’Egidio. Alexander Linke von Sant‘Egidio, für welche Menschen ist die Veranstaltung denn gedacht?

Dr. Alexander Linke (Gemeinschaft Sant’Egidio): Es sind ungefähr 400 bis 500 Personen eingeladen, vor allem aus den Pfarrereien. Ärmere Menschen, kranke Menschen, alte Menschen, Menschen die auf der Straße leben. Und es gibt ein Drei-Gänge-Menü in der Kathedrale: Eine Kürbis-Ingwer-Suppe als Vorspeise, als Hauptspeise einen vegetarisch gefüllten Kartoffeltaler und eine Hähnchen-Roulade und als Nachspeise Apfelstrudel mit Vanillesoße.

DOMRADIO.DE: Sie haben gesagt, 400 bis 500 Leute kommen am Sonntag. Einige wohnen in der Gemeinde, andere leben auf der Straße. Wie haben Sie die denn angesprochen und eingeladen?

Linke: Wir haben in den Pfarreien in Berlin und den geistlichen Gemeinschaften gefragt, ob sie an diesem Welttag der Armen, den Papst Franziskus letztes Jahr zum ersten Mal ausgerufen hat, ihre Freunde mitbringen könnten. Um allen zu zeigen, dass die Armen im Herzen der Kirche sind. Und so haben wir die Pfarreien abtelefoniert und haben gefragt, wen sie sich vorstellen könnten mitzubringen. Wir möchten wirklich ein buntes Bild der Kirche zeigen und auch der Armen, die es in unserer Kirche in Berlin gibt. Und es kommen auch Leute aus dem Bistum, also außerhalb Berlins.

DOMRADIO.DE: Also soll dieses Essen über das Satt-machen hinaus auch eine Signalwirkung haben.

Linke: Es soll wirklich die Armen ins Herz der Kirche stellen. Außerdem soll ein Denkprozess in den Pfarreien und bei allen Christen angeregt werden. Es ist auch einfach ein Zeichen für die Stadt, dass die Kirche die Sorgen, die Schmerzen und die Freuden der Leute ernst nimmt und begleiten möchte.

DOMRADIO.DE: Und warum haben Sie die St. Hedwigs-Kathedrale als Ort gewählt. Die wird jetzt ja umgebaut. Steht da nicht schon jede Menge Baumaterial?

Linke: Die Kathedrale ist tatsächlich momentan leer. Sie wurde ausgeräumt, die Bänke wurden weggeräumt. Das ist eigentlich eine schöne Gelegenheit. Da ist jetzt wirklich Platz drin. Wir werden alles erst reintragen müssen. Sie ist wirklich komplett leer und in einem guten Zustand.

DOMRADIO.DE: Sie haben vorhin schon gesagt, seit einem Jahr gibt es diesen Welttag der Armen, also noch nicht so lange. Haben Sie schon einen Eindruck gewonnen, was ein solcher Tag bewirken kann?

Linke: Ich denke, Papst Franziskus wollte mit diesem Welttag der Armen alle Christen auffordern, mehr zu überlegen: Wie können wir die Armen mehr ins Herz und in die Mitte der Kirche stellen? Oft hört man ja in Deutschland: Wir haben gar keine Armen in unseren Pfarreien. Beim Begriff "Arme" denkt man oft nur an Leute, die auf der Straße leben. Wir haben dann bei unseren Anrufen in den Pfarreien gesagt: Vielleicht haben Sie ein Altenheim, alte Menschen, die Sie mitbringen können, kranke oder schwache Leute. Ich denke, in Deutschland kann man sich viel mehr die Frage stellen: Wen können wir in unseren Pfarreien mehr begleiten?

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

 

Quelle:
DR