Diakoniepräsident sieht Selbstbestimmungsrecht in Gefahr

Kirchen müssen Bewerber auswählen dürfen

Nach der Niederlage vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt fürchtet der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, um das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. "Das Urteil kann uns nicht zufriedenstellen". 

Krankenhausseelsorge / © Werner Krüper (epd)
Krankenhausseelsorge / © Werner Krüper ( epd )

Das höchste deutsche Arbeitsgericht hatte in der vergangenen Woche einer von der Diakonie abgelehnten Stellenbewerberin ohne Kirchenzugehörigkeit eine Entschädigung von knapp 4.000 Euro zugesprochen. Die Klage der Berlinerin Vera Egenberger wegen Diskriminierung aufgrund von Religion war damit erfolgreich.

Die Entscheidung der Erfurter Richter habe für das kirchliche Arbeitsrecht "eine grundsätzliche Bedeutung, weil sie die EuGH-Entscheidung vom April dieses Jahres in nicht zu überbietender Klarheit zuungunsten des Selbstbestimmungsrechtes der Kirche auslegt und anwendet", das schreibt Lilie in einem Gastbeitrag für den Fachdienst "epd sozial".  Damit weiche das BAG von der langjährigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ab. Denn Karlsruhe habe den Kirchen bisher die Entscheidung überlassen, für welche Tätigkeiten die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche erforderlich ist. Lilie kündigte an, die Urteilsbegründung des BAG zu prüfen, um dann gegebenenfalls das Bundesverfassungsgericht anzurufen.

Bewerber auszuwählen müsse Kirchen möglich sein

Nach Auffassung des Diakoniepräsidenten muss es den Kirchen möglich bleiben, Bewerber auswählen und einstellen zu können, "die sich mit ihrer Mitgliedschaft zum Auftrag der Kirche bekennen und die kirchliche Aufgabe aus einer christlichen Perspektive erfüllen". Denn die evangelische Prägung diakonischer Einrichtungen hänge auch an der Haltung der Beschäftigten. "Das erwarten die Menschen auch, die unsere Angebote nutzen", so Lilie.

Dennoch beschäftigten evangelische Einrichtungen auch Nichtchristen. So sei es beispielsweise sinnvoll, in einem Kindergarten, in dem 60 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund haben, auch muslimische Erzieherinnen zu beschäftigen. Lilie verweist außerdem darauf, dass nach den Richtlinien von Kirche und Diakonie Konfessionslose "ausdrücklich zur Mitarbeit eingeladen" sind. Nur noch für Aufgaben in der Verkündigung, der Seelsorge und der evangelischen Bildung werde die Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche vorausgesetzt

Gröhe: Bevormundung bei Jobs in Kirchen unangemessen

Der kirchenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Hermann Gröhe (CDU), hat Forderungen nach Gesetzesänderungen infolge eines Urteils zur kirchlichen Einstellungspraxis abgelehnt. "Eine Bevormundung staatlicherseits, sei es durch vorgeschlagene Gesetzesänderungen oder Gerichtsentscheidungen, halte ich in diesem Zusammenhang für unangemessen", sagte Gröhe dem Evangelischen Pressedienst (epd). Was etwa eine "kirchennahe" Aufgabe sei, könne nur vor dem Hintergrund des jeweiligen kirchlichen Selbstverständnisses beurteilt werden.

Das Bundesarbeitsgericht hatte in der vergangenen Woche einer von der Diakonie abgelehnten Stellenbewerberin ohne Kirchenzugehörigkeit eine Entschädigung von knapp 4.000 Euro zugesprochen. Die Berlinerin Vera Egenberger hatte wegen Diskriminierung aufgrund von Religion geklagt.

Gröhe will Urteilsgründe der Richter prüfen lassen

Diese Entscheidung weiche "erheblich von den bisherigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ab, das stets das kirchliche Selbstbestimmungsrecht betont hatte", sagte Gröhe, der der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehört. Die Kirchen sehen es als Teil ihres Selbstbestimmungsrechts, unter bestimmten Voraussetzungen die Kirchenmitgliedschaft bei Einstellungen zu verlangen.

Gröhe sagte, es sei geboten, die Urteilsgründe der Erfurter Richter genau zu prüfen. Er verstehe auch, "dass kirchlicherseits erwogen wird, auch das Bundesverfassungsgericht anzurufen, um es erneut mit den sehr grundsätzlichen Fragen zu befassen".

Zugleich betonte er, es könne auch für die Kirche sinnvoll erscheinen, für die Gewinnung von Fachpersonal hergebrachte Auswahlkriterien zu überprüfen. "Diese Überprüfung muss allerdings als Ausdruck des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts Sache der Kirchen selbst sein", sagte der CDU-Politiker.

 


Diakonie-Präsident Lilie / © Norbert Neetz (epd)
Diakonie-Präsident Lilie / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
epd