Pädagogen entsetzt über AfD-Meldeplattform gegen Lehrer

Denunzieren per Mausklick?

Hamburg war Vorreiter: Dort hat die AfD eine Meldeplattform gegen Lehrkräfte eingerichtet, die nach Nutzer-Meinung gegen das Neutralitätsgebot verstoßen haben. Nun wollen weitere Bundesländer nachziehen. Lehrer reagieren entsetzt.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Auf der Seite "Neutrale Schule", die im September online ging, können Nutzer der Hamburger AfD-Fraktion melden, wenn Lehrkräfte oder Schulpersonal ihrer Meinung nach gegen das Neutralitätsgebot verstoßen haben. Weitere Landtagsfraktionen der AfD wie in Brandenburg, Baden-Württemberg und Sachsen planen laut einem Zeitungsbericht der Funke Mediengruppe ähnliche Portale. Die Fraktionen in Bayern, Bremen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt zögen dies ebenfalls in Erwägung. Was halten Sie von solchen Plattformen?

Roswitha Fischer (Bundesvorsitzende des Vereins katholischer deutscher Lehrerinnen): Der Verein katholischer deutscher Lehrerinnen verurteilt solche Portale grundsätzlich, ganz egal von welcher Seite – ob das jetzt von der AfD ist oder irgendeiner anderen Partei oder Organisation. Dieses Denunzieren über Internetportale ist ein Weg, der für uns absolut nicht gängig ist.

So eine Möglichkeit, Lehrer und Lehrerinnen anzuschwärzen, zerstört das Vertrauen zwischen Schülern und Schülerinnen und Lehrern und Lehrerinnen und macht damit auch eine Erziehung fast nicht möglich.

DOMRADIO.DE: Haben Sie denn eine Vermutung, warum die AfD das tut?

Fischer: Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was die AfD mit solchen Meldungen anfangen würde, denn sie sind ja in der Regel – wenn es übers Internet passiert – auch nicht nachvollziehbar. Ich kann ja einem Vorwurf nicht wirklich nachgehen.

DOMRADIO.DE: Nun gilt, dass Lehrer sich politisch neutral verhalten sollten. Kann man das denn immer, vor allem wenn es um Fragen der Demokratie geht?

Fischer: Vor allen Dingen geht es darum, dass Lehrer und Lehrerinnen keine Parteipolitik im Unterricht vertreten dürfen und ihre Schüler nicht indoktrinieren dürfen. Das ist die Hauptsache. Demokratie vertreten kann ich auch, ohne dass ich Parteipolitik mache.

DOMRADIO.DE: Und wenn nun aber eine Partei klar gegen demokratische Werte wettert, ist es dann nicht auch Auftrag der Lehrkräfte, darüber mit den Schülern ins Gespräch zu kommen?

Fischer: Ich muss mit Schülern da immer ins Gespräch kommen, ganz egal von welcher Richtung unserer Parteipolitik, von links bis rechts. Auch wenn Wahlen sind, gilt es, über Politik und Demokratie zu sprechen.

Wir haben es zum Beispiel in Bayern erlebt, wo der "Bayerische Jugendring" im Vorfeld der Landtagswahl eine Schülerwahl durchgeführt hat. Da ist es selbstverständlich, dass mit Schülern auch Parteiprogramme besprochen und diskutiert werden müssen.

Aber ich darf als Lehrer nicht in eine bestimmte Richtung indoktrinieren. Man muss aber natürlich – und das ist selbstverständlich – Dinge, die unserem Demokratieverständnis total widersprechen, ansprechen.

DOMRADIO.DE: Was würden Sie denn jetzt den Lehrkräften raten? Wie sollten sie mit diesen möglichen Plattform umgehen? Sollten sie im Unterricht darüber sprechen, was Denunziation bedeutet?

Fischer: Das wäre zum Beispiel eine Möglichkeit, denn sonst hat man bei diesen Portalen als Lehrkraft ganz, ganz wenige Möglichkeiten. Ich kann dem ja als Lehrkraft nicht wirklich nachgehen.

DOMRADIO.DE: Das Ganze ist auch ein Beispiel dafür, was Demokratie eigentlich nicht beinhalten sollte: nämlich andere anzuschwärzen. Das sind eigentlich Methoden, die eher in totalitären Systemen den Kindern und Jugendlichen beigebracht werden. Wie sehen Sie die Aufforderung der AfD dazu denn aus pädagogischer Sicht?

Fischer: Denunzieren muss wirklich verurteilt werden, ganz gleich in welche Richtung. Da muss auch mit Schülern darüber gesprochen werden.

Nehmen wir mal an, eine Klasse hätte den Eindruck, dass sie von einer Lehrkraft politisch indoktriniert wird oder in eine bestimmte Richtung gebracht wird. Dann muss das schulintern gelöst werden. Da müssen Schüler zum Beispiel die Möglichkeit haben, sich an ihren gewählten Verbindungslehrer zu wenden, damit diese Dinge in der Schule aufgearbeitet werden – aber nicht über Internetportale, wo Menschen denunziert werden.

Das Interview führte Moritz Dege.


Roswitha Fischer, Bundesvorsitzende des Vereins katholischer deutscher Lehrerinnen / © Katharina Ebel (KNA)
Roswitha Fischer, Bundesvorsitzende des Vereins katholischer deutscher Lehrerinnen / © Katharina Ebel ( KNA )
Quelle:
DR