Berliner Caritas kritisiert Schließung von U-Bahnhöfen für Obdachlose

"Man hätte das diskutieren können"

Obdachlose in Berlin konnten im Winter bisher Schutz in U-Bahnhöfen suchen. Die Berliner Verkehrsbetriebe wollen das aus Sicherheitsgründen nun nicht mehr. Die Caritasdirektorin des Erzbistums Berlin sieht darin das falsche Signal.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Warum ist die Übernachtungsmöglichkeit in den Bahnhöfen so wichtig?

Prof. Dr. Ulrike Kostka (Direktorin des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin): Insgesamt ist es sehr gut, dass im letzten Jahr die Übernachtunsgsplätze generell gestiegen sind. Es gibt aber nach wie vor viele Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht in Unterkünfte gehen. Zum Beispiel, weil sie es in Räumen nicht aushalten oder sie mit den Regeln dort nicht zurechtkommen. Da sind die U-Bahnhöfe wichtig und ein Mittel, um in den kalten Nächten Schutz zu finden.

DOMRADIO.DE: Die Verkehrsbetriebe argumentieren mit Sicherheitsgründen. Man habe gegenüber Mitarbeitern auch eine Fürsorgepflicht, wenn dutzende Menschen unter Alkohol und Drogeneinfluss dort übernachten. Was antworten Sie darauf?

Kostka: Ich kann das gut nachvollziehen. Das ist eine herausfordernde Situation. Für mich war das aber eher ein Hilferuf der Verkehrsbetriebe. Ich bin wütend darüber, dass sie jetzt dieses Zeichen gesetzt haben, ohne dass sie mit uns Wohlfahrtsverbänden und Kirchen gesprochen haben. Damit bestärken sie nochmal, dass obdachlose Menschen an den Rand gedrängt werden.

DOMRADIO.DE: Wie ist das denn in den vergangenen Jahren gewesen. Haben viele Obdachlose in den geöffneten U-Bahnen in Winternächten übernachtet?

Kostka: Das kam immer wieder vor, ja. Allein das Angebot ist für viele Obdachlose ein wichtiges Zeichen. Jetzt schließen die Verkehrsbetriebe sie aus oder hat das zumindest vor. Die Betroffenen fühlen sich nun weiter an den Rand gedrängt. Das ist für die wohnungslosen Menschen, aber vor allem auch für die Gesellschaft das falsche Signal. Ich hoffe, dass die Berliner Verkehrsbetriebe ihr Vorhaben zurücknehmen. Es ist ja durchaus möglich, zu schauen, was besser funktionieren kann. Es ist für mich unsolidarisch, ohne mit jemanden gesprochen oder vorher überlegt zu haben.

DOMRADIO.DE: Was wären denn Ihre Forderungen?

Kostka: Zunächst erst mal mit allen zu sprechen, die in der Obdachlosenhilfe tätig sind. Wir können nach gemeinsamen Wegen suchen. Es lassen sich gewisse Dinge auch fachlich unterstützen. Vielleicht könnte man auch einen U-Bahnhof nehmen und ihn dann besser personell ausrüsten. Diese Botschaft mit Karacho zu verbreiten und damit viele Vorurteile gegenüber Obdachlosen zu schüren, das ist einfach lieblos – zumal das Dienstleistungsunternehmen mit dem Spruch wirbt: "weil wir Dich lieben."

DOMRADIO.DE: Welche Angebote bietet denn die Caritas darüber hinaus für Obdachlose in Berlin?

Kostka: Wir haben auch Notunterkünfte, Beratungsstellen und auch eine Ambulanz für wohnungslose Menschen. Wir betreuen Wohnungslose in der Zeit des Übergangs, also wenn sie sich eine Wohnung suchen. Wir sind sehr stark darin, aber es gibt auch viele Partner in der Stadt, wie zum Beispiel die Stadtmission, die Diakonie und viele andere. Berlin ist aber eine total starke Stadt, wenn es um die Sorge um Obdachlose geht. Da kommt auf einmal ein Signal von einem so beliebten Akteur wie den Verkehrsbetrieben – das ist einfach schade.

DOMRADIO.DE: Wie ist überhaupt die Situation in Berlin? Gibt es zum Beispiel mehr Obdachlose als vor fünf Jahren?

Kostka: Ja, die Zahl der Obdachlosen ist eindeutig gestiegen. Das liegt daran, dass die Armut und die Wohnungslosigkeit gewachsen sind. Es kommen auch viele Menschen aus EU-Ländern zu uns, die hoffen, eine Perspektive in Berlin zu finden. Viele Menschen landen auf der Straße und verelenden, weil sie von vielen Leistungen ausgeschlossen werden. Das macht uns viel Sorge.

Gerade deshalb bin ich aber auch so stolz auf Berlin, weil wir es geschafft haben, eine Strategiekonferenz "Wohnungslosenhilfe" zu schaffen. Die Konferenz besteht aus vielen Akteuren. Wir überlegen, was langfristig in der Hilfe für Obdachlose Sinn macht. Da schießen die Berliner Verkehrsbetriebe mitten rein. Wir treffen uns in zwei Wochen wieder. Da hätte man das diskutieren können.

DOMRADIO.DE: Werden Sie das Gespräch mit der Berliner Verkehrsbetriebe, kurz BVG, suchen?

Kostka: Auf jeden Fall. Vor allem sind die Verkehrsbetriebe hier in Berlin ganz tolle Partner, wir schätzen sie sehr. Das war jetzt allerdings der falsche Weg. Obdachlose sind oft Gewalt und Ausgrenzung ausgesetzt. Das ist gefährlich. Wie schon gesagt: Wir hätten das doch erst mal in Ruhe besprechen können. So implementiert sich der Gedanke schnell auch in der Gesellschaft. Dann werden viele Menschen denken, die Obdachlosen gehören nicht in die U-Bahnhöfe. Es kann aber ja ein gutes Miteinander auf der Straße stattfinden, dafür gibt es Lösungen.

Das Gespräch führte Martin Mölder.


Ulrike Kostka / © Markus Nowak (KNA)
Ulrike Kostka / © Markus Nowak ( KNA )

Werbespruch der BVG: "Weil wir dich lieben" / © Jörg Carstensen (dpa)
Werbespruch der BVG: "Weil wir dich lieben" / © Jörg Carstensen ( dpa )

Geschlossener U-Bahnzugang in Berlin / © Bernd Settnik (dpa)
Geschlossener U-Bahnzugang in Berlin / © Bernd Settnik ( dpa )
Quelle:
DR