Altenas Bürgermeister Hollstein für Preis der Vereinten Nationen nominiert

"Ansporn für den weiteren Einsatz"

Der Bürgermeister der Stadt Altena im Sauerland, Andreas Hollstein, ist für den renommierten Nansen-Flüchtlings-Preis nominiert. Der Preis wird jährlich vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen vergeben.

Andreas Hollstein, Bürgermeister von Altena / © Oliver Berg (dpa)
Andreas Hollstein, Bürgermeister von Altena / © Oliver Berg ( dpa )

DOMRADIO.DE: Altonas Bürgermeister Andreas Hollstein ist der Europa-Finalist des renommierten Nansen-Flüchtlings-Preises. Hollstein werde für seinen Einsatz für Flüchtling, seine Stadt und die Humanität geehrt, heißt es in einer Mitteilung der Vereinten Nationen. Herr Hollstein, was bedeutet diese Auszeichnung für Sie?

Andreas Hollstein (Bürgermeister von Altena): Sie ist immer noch schwer greifbar. Wenn man sich die bisherigen Preisträger vom Kaliber eines Richard von Weizsäcker oder Elinor Russells anschaut – das muss man natürlich als Bürgermeister einer nordrhein-westfälischen Kleinstadt erst mal klar kriegen. Es ist auf jeden Fall ein Ansporn für den weiteren Einsatz.

Mir ist aber ganz wichtig, dass ich diese Auszeichnung nicht für mich, sondern für die Menschen entgegennehme, die mit ihrem Einsatz Geflüchteten hier in Deutschland helfen, Fuß zu fassen und Verluste in der Heimat zu überwinden. Die Auszeichnung ist für die, die christlich handeln und die, die gegen Respektlosigkeit, Rassismus, Nationalstaatlichkeit und Nationalismus auftreten.

DOMRADIO.DE: Sie werden ja auch deswegen ausgezeichnet, weil sie in Altena mehr Flüchtlinge aufgenommen haben, als sie müssten: 270 Flüchtlinge waren der Stadt zugewiesen worden und sie haben gesagt, wir können noch Hundert mehr aufnehmen. Warum haben Sie das gemacht?

Hollstein: Ich habe damals, das war 2014, die humanitäre Situation in Griechenland gesehen und für mich stand fest: Das ist nicht das Europa, für das ich politisch mal irgendwann angefangen habe zu arbeiten. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass man auf dem Boden unseres Grundgesetzes und auch der europäischen Verfassung ein vernünftiges Europa für die Kinder- und Enkelgeneration aufbauen muss und sollte.

Da wir in Altena zur damaligen Zeit Leerräume hatten und auch schon ganz, ganz viele ehrenamtliche Helfer zur Verfügung standen, habe ich gesagt, da müsste man mehr tun und wenigstens ein kleines Beispiel geben, vielleicht machen es andere nach und dann wird daraus erst recht ein Schuh. Und die politischen Kräfte im Altenaer Rat haben Gott sei Dank an einem Strang gezogen und die Bürger haben das auch in der Mehrheit sehr, sehr positiv aufgenommen.

Natürlich gibt es auch andere Stimmen. Aber wir sind dann diese Herausforderung angegangen und ja, die ist auch bisher erfolgreich bewältigt worden. Und das macht Spaß.

DOMRADIO.DE: Aber es hat ja auch Gegenwind gegeben. Gegenwind und Hass, den sie selber hautnah zu spüren bekommen haben. Bei einer Messerattacke wurden Sie lebensgefährlich verletzt. Wie sind Sie damit umgegangen? So etwas muss einem doch Angst machen.

Hollstein: Ja, ich bin damit so umgegangen – das Gericht hat das kritisiert aber ich halte es nach wie vor für richtig – dass ich am Tag danach auch in die Medien gegangen bin und gesagt habe: Seht ihr, so ein Hass darf nicht aufkommen. Ich sehe mich eher leider bestätigt durch die Vorkommnisse in Chemnitz und in Köthen der letzten Zeit, dass bei uns eine Stimmung von Menschen erzeugt wird, die gegen unseren Staat sind, die gegen unser Grundgesetz stehen. Bei aller verständlichen Enttäuschung von politischen Parteien, die ich zum Teil sogar nachvollziehen kann, müssen wir als Demokraten in der Mitte den Schulterschluss üben. Wir dürfen unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht verlieren und nicht wieder in der Situation landen, wie wir sie schon mal in Deutschland ähnlich gehabt haben.

DOMRADIO.DE: Auch in Altena hat es ja bei der letzten Bundestagswahl in einem Stadtteil für die AfD 18 Prozent der Stimmen gegeben. Wie versuchen Sie denn, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gewährleisten?

Hollstein: Natürlich mit vielen Gesprächen. Ich grenze nicht aus. Ich versuche die Menschen zu erreichen, soweit ich sie erreichen kann. Aber natürlich gelingt das auch mal mehr, mal weniger. Ich denke, dass ist das einzige Angebot, das man ehrlich machen kann. Man kann mit Argumenten streiten, man kann versuchen zu zeigen, dass es anders geht. Man kann versuchen auf die Menschen, die anders denken, auch argumentativ zuzugehen und man kann auch versuchen politische Prozesse besser zu gestalten.

Ich denke, dass da auch ein Teil des Ursprungs der zum Teil berechtigten Kritik von kritischen Menschen, die ich nicht gleichsetzen will mit denen, die da auf der Straße pöbeln. Viele Prozesse waren nicht in Ordnung, bevor die große Zahl an Geflüchteten aus den arabischen Staaten kam. Das war ein Versäumnis der Politik.

DOMRADIO.DE: Jetzt sind Sie selbst CDU-Bürgermeister von Altena. Spornt Sie denn auch das "C" für "christlich" in ihrem Parteinamen besonders an?

Hollstein: Ich glaube, dass das eine wesentliche Triebfeder ist. Der Grundtenor unserer Politik muss sein, Menschen menschlich zu begegnen, für Humanismus und auch gegen Respektlosigkeit einzustehen. Das entspricht auch dem christlichen Wertegrundsatz und der treibt mich täglich an. Dieser Grundsatz gehört zu mir und der ist Teil von mir und ich kann darüber hinaus sagen, Teil von vielen Menschen in meinem Team. Und das wollen wir auch weiter so handhaben.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Quelle:
DR