Land NRW will an Förderschulen vorerst festhalten

Barrierefreies Lernen

Alles inklusiv?! Das gemeinsame Lernen für Schüler mit und ohne Behinderung soll in Nordrhein-Westfalen künftig auf bestimmte weiterführende Schulen konzentriert werden.

Kinder in einer Schule in Höxter / © Jonas Güttler (dpa)
Kinder in einer Schule in Höxter / © Jonas Güttler ( dpa )

Ab dem Schuljahr 2020/2021 dürften Haupt-, Real- und Gesamtschulen sowie Gymnasien in Nordrhein-Westfalen nur noch dann inklusiven Unterricht anbieten, wenn sie dafür bestimmte Qualitätsstandards erfüllten. Das kündigte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) vor Journalisten in Düsseldorf an. Diese Kriterien seien notwendig, "um den Wünschen vieler Eltern nach qualitativ hochwertigem inklusiven Unterricht an allgemeinen Schulen zu entsprechen".

Qualitätsstandards anpassen

Nach den Plänen der Schulministerin können an Regelschulen in der Sekundarstufe I künftig nur noch Inklusionsklassen gebildet werden, wenn sie über sonderpädagogische Lehrkräfte verfügen. Zudem muss das Lehrerkollegium systematisch fortgebildet werden und dort auch die räumlichen Voraussetzungen mit barrierefreien Gebäuden gegeben sein. Die Schulen müssten über "ein pädagogisches Konzept zur inklusiven Bildung verfügen", erklärte Gebauer. Während an den Haupt-, Real- und Gesamtschulen für gehandicapte Schüler weiterhin eine "zieldifferente Förderung" erfolge, solle der inklusive Unterricht an Gymnasien in der Regel nur noch "zielgleich" gestaltet werden, also mit dem Weg zum Abitur.

Inklusive Klassen an solchen Schwerpunkt-Schulen sollen nach der pädagogischen Neuausrichtung nicht mehr als 25 Schüler umfassen, darunter dürfen drei Handicap-Schüler sein. Für sie soll dann eine halbe Lehrkraft zusätzlich zur Verfügung stehen. Die neue Inklusionsformel in NRW lautet nach Angaben Gebauers: "25 - 3 - 1,5". Kommunen könnten weitere inklusive Schulen nur dann errichten, wenn die Zahl von durchschnittlich drei Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf erreicht sei. Im Endausbau will das Land dafür bis zum Schuljahr 2024/2025 zusätzlich 9.133 Lehrerstellen mit einem Kostenvolumen von 127 Millionen Euro schaffen.

Regelschulen werden bevorzugt

Bisher gibt es in NRW nach Angaben des Schulministeriums von den rund 3.000 weiterführenden Schulen nur 109, die in ihren Inklusionsklassen mindestens drei Schüler mit Handicap haben. Landesweit wird derzeit an etwa 1.000 Schulen mit Sekundarstufe I gemeinsames Lernen praktiziert. Gebauer erklärte, sie könne keine Prognose abgeben, an wie vielen weiterführenden Schulen unter den neuen Qualitätsstandards ab dem übernächsten Schuljahr inklusiver Unterricht angeboten werde. Allerdings gehe sie davon aus, dass Eltern ihre Kinder mit Förderbedarf zukünftig verstärkt an Regelschulen anmeldeten, wenn dort jetzt eine deutliche Qualitätssteigerung des Inklusionsunterrichts erfolge.

An den Grundschulen sieht die Landesregierung für den inklusiven Unterricht derzeit keine Konzentration auf Schwerpunktschulen oder neue Qualitätsstandards vor. Gegenwärtig wird an 2.026 der insgesamt 2.287 Grundschulen in NRW inklusiv errichtet. Gebauer erklärte, es sei denkbar, dass Inklusionsstandards in einem künftigen "Masterplan Grundschule" formuliert würden. Derzeit gebe es an den Grundschulen in NRW 1.193 sozialpädagogische Fachkräfte für die Inklusion. Im kommenden Jahr würden noch einmal 600 neue Stellen geschaffen.

Inklusionsquote liegt bei 42 Prozent

Gleichzeitig will die Landesregierung an den sonderpädagogischen Förderschulen vorerst festhalten und drohende Schließungen verhindern. Deshalb sollen die Mindestgrößen weiter abgesenkt werden. Statt bisher mit 144 Schülern werden Förderschulen mit einer Primar- und Sekundarstufe demnächst auch mit 112 Schülern weitergeführt werden können. Förderschulen mit einer reinen Sekundarstufe I sollen mit 84 (bisher 112) und mit einer reinen Primarstufe mit 28 Schülern in Betrieb bleiben können. Bisher war die Mindestgröße für reine Primarstufen bei Förderschulen nicht geregelt.

In NRW gibt es nach Angaben des Schulministeriums derzeit 140.000 Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Davon besuchen 80.000 eine Förderschule und 60.000 eine Regelschule. Die Inklusionsquote liegt im bevölkerungsreichsten Bundesland aktuell bei 42 Prozent. Gegenwärtig gibt es hier 444 öffentliche Förderschulen. Im Jahre 2010 waren noch 615 Förderschulen in Betrieb.

Johannes Nitschmann


Yvonne Gebauer / © Federico Gambarini (dpa)
Yvonne Gebauer / © Federico Gambarini ( dpa )
Quelle:
KNA