Gutachten zu Krankenhäusern in Deutschland

"Überversorgung bei schlechter Qualität"

Seit Jahren wird in Deutschland über die Anzahl und Ausstattung der Krankenhäuser diskutiert. Der wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums spricht jetzt in einem Gutachten von "Über- und Fehlversorgung".

Autor/in:
Christoph Arens
Im Krankenhaus: Personalmangel und hoher Zeitdruck bedeuten weniger Zuwendung für den Patienten / © Andreas Arnold (dpa)
Im Krankenhaus: Personalmangel und hoher Zeitdruck bedeuten weniger Zuwendung für den Patienten / © Andreas Arnold ( dpa )

Über die angemessene Zahl der Krankenhäuser wird seit Jahrzehnten gestritten. "Krankenhausschließungen gefährden die medizinische Versorgung in der Fläche, gerade in ländlichen Regionen", argumentieren insbesondere viele Kommunalpolitiker, die sich den Protesten der Bürger gegen die Schließung ihres örtlichen Krankenhauses stellen müssen.

Die Gegenseite verweist auf hohe Kosten, fehlendes Personal und unnötige Risiken für Patienten, wenn kleine Kliniken keine Erfahrung mit komplizierten Behandlungen hätten. Deutschland habe im internationalen Vergleich eine viel zu hohe Krankenhausdichte, heißt es auch in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, das am Mittwoch in Berlin veröffentlicht wurde.

Gutachten: Deutschland ist überversorgt

Die Überschrift zeigt, wo die Finanzexperten hinwollen: "Über- und Fehlversorgung in deutschen Krankenhäusern" heißt es da unter Verweis auf die 1.371 Krankenhäuser der Akutversorgung bundesweit. Mit 6,1 Betten auf 1.000 Einwohner sei Deutschland überversorgt - bei vergleichsweise schlechter Qualität. Wegen des hohen Kostendrucks gebe es sogar unnötige Operationen.

Als positives Beispiel nennen die Autoren Dänemark: Die nördlichen Nachbarn kämen in der Akutversorgung auf 2,5 Betten je 1.000 Einwohner. Dafür aber seien die 330 dänischen Krankenhäuser alle mit Computertomographen (CT) und Intensivbetten ausgestattet, während 19 Prozent der deutschen Häuser kein Intensivbett hätten und sogar 34 Prozent über kein CT verfügten.

Mindestens 500 Betten in Zukunft die Regel

Für eine Zentralisierung und Spezialisierung hatte zuvor auch die Krankenkasse AOK in ihrem Krankenhaus-Monitor 2018 plädiert. Zwar wollte sich der AOK-Bundesverband nicht auf eine konkrete Zahl der zu schließenden Kliniken festlegen lassen. Kassen-Chef Martin Litsch sprach sich dafür aus, dass "zukünftig Kliniken mit mehr als 500 Betten nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel bilden".

Nach seinen Angaben verfügen derzeit 80 Prozent der insgesamt rund 2.000 Kliniken in Deutschland über weniger als 500 Betten. Das hat laut AOK Folgen für Behandlungsqualität, Kosten und Personalausstattung. Die Kasse verwies auf das Beispiel von Darmkrebsoperationen: 2015 seien in Deutschland rund 44.000 Darmkrebsoperationen in mehr als 1.000 Krankenhäusern vorgenommen worden. Dabei führte ein Viertel der Häuser den Eingriff maximal 17 Mal im Jahr durch, ein weiteres Viertel hatte zwischen 18 und 33 Eingriffe - was nicht gerade für eine große Erfahrung spricht.

Fehlendes Personal

Für eine Zentralisierung spricht laut AOK auch der Mangel an Fachärzten und Pflegekräften. "Wir haben nicht genügend Personal, um alle heute existierenden Klinikstandorte so auszustatten, dass sinnvolle Personalanhaltszahlen oder Personaluntergrenzen gut umgesetzt werden können", so Kassen-Chef Litsch.

Zwar hat der Gesetzgeber mit dem Krankenhausstrukturgesetz vor zwei Jahren bereits Voraussetzungen für eine Zentralisierung geschaffen. Es sieht etwa Mindestmengen bei bestimmten Behandlungen vor. Ein Strukturfonds stellt Geld für die Umwandlung von Krankenhäusern in Gesundheits- und Pflegezentren zur Verfügung. Die Länder machten davon aber bisher nur zögerlich Gebrauch, kritisierte Litsch.

Experten: Krankenkassen sollen zuständig sein

Auch der Wissenschaftliche Beirat beim Finanzministerium hält den Strukturfonds für nicht ausreichend; gefordert seien weitere gesetzliche Maßnahmen. So fordern die Experten, dass nicht die Länder, sondern die Krankenkassen für Investitionen in die Kliniken zuständig sein sollten. Außerdem solle die Möglichkeit der Kliniken eingeschränkt werden, eigenständig über Operationen zu entscheiden. Stattdessen sollen die Kassen den Versicherten Wahltarife anbieten, die ein genau festgelegtes Versorgungsmanagement enthalten.

Entrüstet über das Gutachten zeigte sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Es enthalte ein "unverantwortliches Schlechtreden der Krankenhäuser und ihrer Mitarbeiter". Präsident Gerald Gaß sagte: "Tatsache ist, dass wir in Deutschland ein gutes stationäres Versorgungssystem haben, das die medizinische Versorgung der Bevölkerung auf hohem Niveau zu relativ günstigen Kosten gewährleistet."


Quelle:
KNA