Nürnberger Altenheim beschäftigt fünf Flüchtlinge

Keine Berührungsängste

Wir nehmen den Weltflüchtlingstag zum Anlass, nach Nürnberg zu blicken: Dort leisten in einem Seniorenheim fünf Geflohene Bundesfreiwilligendienst. Dabei lernen sie kuriose Wörter - und manche Bewohner Benehmen.

Autor/in:
Christopher Beschnitt
Pflege in Deutschland / © Oliver Berg (dpa)
Pflege in Deutschland / © Oliver Berg ( dpa )

Eigentlich haben sie ganz andere Berufe, trotzdem arbeiten sie in einem Seniorenheim. Die fünf Flüchtlinge Hanadi Alhalabi (43), Emam Shahed (45), Kosai Alabdoun (45) und Yaser Chaban (41) aus Syrien sowie Ebtissam Fahdehl (45) aus dem Irak waren in ihrer Heimat Näherin, Frisörin, Taxifahrer und Arabischlehrer sowie Englischlehrerin. Jetzt aber kümmern sich die Asylbewerber um alte Leute: Über den Bundesfreiwilligendienst (BFD) helfen sie im Seniorenheim Caritas Pirckheimer in Nürnberg-Altenfurt in der Pflege, Küche und Betreuung mit.

"Wir wollen gerade auch benachteiligten Menschen eine Chance geben, dafür sind wir Caritas", erklärt Ilona Hauenstein (54), die Leiterin der Einrichtung mit rund 90 Bewohnern und 100 Mitarbeitern. Und so bietet der BFD den Flüchtlingen Gelegenheit, in ihrer neuen Heimat Fuß zu fassen, Deutsche kennenzulernen, die neue Sprache zu sprechen, eine wichtige Aufgabe für die Gesellschaft zu erfüllen. Dafür sind sie überaus dankbar, wie sie immer wieder betonen. "Auch wenn ein Seniorenheim für uns etwas seltsam ist, weil alte Leute bei uns zu Hause immer bei ihrer Familie sind, sind wir so froh, dass wir hier arbeiten dürfen", sagt Ebtissam Fahdehl.

"Wir benehmen uns barmherzig zueinander"

Umso entsetzter sind sie und ihre Kollegen darüber, was andere Flüchtlinge anrichten. "Der muss krank sein und verrückt", empört sich Hanadi Alhalabi über jenen Iraker, der verdächtigt wird, kürzlich in Mainz ein Mädchen getötet zu haben. "Nicht alle Flüchtlinge sind so", ruft Kosai Alabdoun. Ob sie wegen dieser Tat und ähnlicher Vorfälle Anfeindungen erlebt hätten? Alabdoun und die anderen schütteln den Kopf.

Ablehnung existiert aber durchaus im Seniorenheim. "Es gab Bewohner, die mit Kopftuchträgerinnen oder Schwarzen nichts zu tun haben wollten", erzählt Ilona Hauenstein. "Da habe ich gesagt: Wir benehmen uns barmherzig zueinander. Wem das nicht passt, der passt nicht zu uns."

Keine Berührungsängste

Richtig so, meint Helga Pietsch. Die 81-jährige Heimbeiratsvorsitzende sagt, man könne mit den Flüchtlingen gut reden, auch über Gemeinsamkeiten: "Viele von uns Bewohnern haben früher ja auch Krieg und Flucht erlebt." Zwar gebe es oft Verständigungsprobleme. "Aber das klären wir mit Händen und Füßen." Wobei die Flüchtlinge so nicht nur Hochdeutsch, sondern auch kuriose Dialektwörter lernten: "Sie wissen inzwischen, dass Ei auf Fränkisch Gaggerle heißt."

Auch sonst haben die BFDler keine Berührungsängste mit den kulturellen Eigenheiten ihrer neuen Heimat, auch nicht bei der Religion. "Wir beten zum Essen zusammen das Vaterunser", berichtet Hanadi Alhalabi. "Mit deutschen Freunden gehe ich auch in die Kirche", ergänzt Emam Shahed. Natürlich seien in einem Caritas-Haus auch Muslime willkommen, fügt Heimleiterin Hauenstein hinzu. "Aber sie müssen auch im Ramadan Brote schmieren."

Forderungen an die Politik

Das ist für die aktuellen BFDler kein Problem, sie arbeiten laut Hauenstein sehr verlässlich. Solche Leute wolle sie möglichst auch nach dem Freiwilligendienst weiter beschäftigen,sagt sie. Zumal es auch gegenteilige Erfahrungen gebe: Der erste BFD-Flüchtling im Heim habe nur in der Ecke gehockt, von ihm habe man sich rasch wieder getrennt.

Die jetzigen Mitarbeiter seien ganz anders, findet Renate Quitterer (51). Die Betreuungsleiterin sagt: "Seitdem sie hier sind, muss ich keine Stühle mehr schleppen." Leider, wirft Pflegedienstchef Dieter Pringsheim (56) ein, werde es bei manchen schwer, sie dauerhaft zu halten. So bei Kosai Alabdoun. "Er braucht einen Hauptschulabschluss, um eine Ausbildung zum Altenpfleger anfangen zu dürfen. Den hat er zwar - aber kein Zeugnis", erklärt Pringsheim. Quitterer fügt an: "Früher reichte in solchen Fällen eine eidesstattliche Versicherung. Es wäre schön, wenn die Politik das wieder ändern würde."

Das meint auch Helga Pietsch. "Man muss ja heute fast froh sein über jeden Altenpfleger, den man findet", sagt sie. Die BFD-Flüchtlinge seien fleißig und freundlich. Und: "Wir Senioren kommen ja kaum mehr raus. Da ist es doch schön, wenn die Flüchtlingen die halbe Welt zu uns ins Heim bringen."


Quelle:
KNA
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