Experten wollen Kinder besser vor Gewalt im Netz schützen

"Täter sollen sich nicht mehr sicher fühlen"

Der Missbrauch von Kindern im Internet hat ein erschreckendes Ausmaß angenommen, beklagt der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig. Er fordert ein neues Fach zur Schulung der Medienkompetenz

Autor/in:
Birgit Wilke
Kind vor einem Computer / © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Kind vor einem Computer / © Karl-Josef Hildenbrand ( dpa )

Unverändert hohe Fallzahlen beim Kindesmissbrauch, Anstieg bei Kinder- und Jugendpornografie. Für den Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, ist klar, es muss dringend mehr geschehen. Was es in anderen Ländern wie in den USA längst gebe, müsse auch in Deutschland möglich sein: Eine gesetzliche Meldepflicht von Missbrauchs-Darstellungen im Internet.

"Wir dürfen den Datenschutz nicht über den Kinderschutz stellen", so Rörig. Darüber sei dringend eine "gesellschaftliche Debatte" notwendig.

Zahlen im Bereich sexuelle Gewalt unverändert hoch

Laut Polizeilicher Kriminalstatistik sind die Zahlen im Bereich sexuelle Gewalt unverändert hoch: 13.539 Kinder waren es im vergangenen Jahr, die davon betroffen waren. Das sind rund 3,6 Prozent weniger als 2016. Zudem seien rund 6.500 Fälle von Kinder- und 1.300 Fälle von Jugendpornografie polizeilich erfasst worden, rund 15 Prozent mehr als im Vorjahr. 

Wie Rörig forderte auch der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, Verbesserungen bei der Vorratsdatenspeicherung. Vielen Hinweisen aus der USA habe die Kriminalpolizei in Deutschland nicht nachgehen können, weil etwa IP-Adresse nicht mehr gespeichert gewesen seien. Da die meisten Taten im Umfeld der Kinder begangen würden, appellierte er dazu wachsam zu sein. "Wer wegschaut, trägt eine Mitverantwortung", so Münch.

Rörig appelliert an die Bundesregierung, mehr Maßnahmen zur Bekämpfung von Missbrauchsabbildungen im Internet zu ergreifen. Das Risiko sei gestiegen, dass Kinder etwa beim Chatten oder bei Online-Spielen Opfer sexueller Gewalt würden, sagte Rörig.

Aufstockung angemahnt

Er mahnte etwa eine bessere personelle und technische Ausstattung für Strafverfolgung und Gerichte an. Es fehlten derzeit bis zu 2.000 Richter und Staatsanwälte. Vor allem bei der Strafverfolgung von Cyberkriminalität gegen Kinder und Jugendliche müsse die Politik erheblich aufstocken. Zudem müsse die technische Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden schnellstmöglich auf den neuesten Stand gebracht werden. Opfer müssten verbesserte Unterstützungsangebote erhalten. Dringend notwendig sei eine Modernisierung des Jugendmedienschutzes. Er sprach sich weiter für ein neues Unterrichtsfach zur Schulung der Medienkompetenz aus.

Weiter plädierte er dafür, die Höchststrafe für den Besitz von sogenannten kinderpornografischen Abbildungen, die derzeit drei Jahre beträgt, auf fünf Jahre anzuheben. Die Bundesländer sollten bei der Fahndung nach Tätern stärker unterstützt werden. Dies könne etwa durch Schulfahndungen geschehen, bei denen Lehrern Ausschnitte der Abbildungen vorgelegt werden, bei denen der Missbrauch selbst nicht zu sehen ist, das Kind aber identifizierbar ist. "Täter sollen sich hier nicht länger sicher fühlen", so Rörig. "Sei es der Familienvater, der Onkel, der Geistliche oder der Sporttrainer..

Unternehmen in die Pflicht nehmen

Auch die Unternehmen müssen nach seiner Ansicht stärker in die Pflicht genommen werden. Rörig schlug vor, dass nur die Unternehmen vom geplanten Games-Fonds zur Unterstützung der Spielbranche, wenn sie bestimmte Jugendschutz-Standards einhielten.

Der Mediziner Jörg M. Fegert forderte ein regelmäßiges Monitoring. Viele Fälle von Misshandlung oder Missbrauch würden nicht wahrgenommen. Auch Ärzte müssten weiter geschult werden. Für Beratungsstellen müsse es zudem eine geregelte Finanzierung geben, so Fegert, der auch Leiter des Kompetenzzentrums Kinderschutz in der Medizin ist. Und er dringt auf eine stärkere Sensibilisierung für das Thema. Er will eine "Kultur der Intervention".


Johannes-Wilhelm Rörig (dpa)
Johannes-Wilhelm Rörig / ( dpa )
Quelle:
KNA