Deutscher Seniorentag sucht nach guten Wegen für das Alter

Keine Grundlage für Horrorszenarien

Deutschlands Bevölkerung altert. Doch das Alter verändert sich. Horrorszenarien sind fehl am Platz. Der 12. Deutsche Seniorentag in Dortmund sucht bis Mittwoch nach Wegen, wie ein gutes Leben im Alter gelingen kann.

Autor/in:
Christoph Arens
Senioren auf einer Bank / © Felix Kästle (dpa)
Senioren auf einer Bank / © Felix Kästle ( dpa )

Deutschland verändert sich. Die Alten prägen immer stärker das Gesicht der Gesellschaft. 17,5 Millionen oder 21,2 Prozent der Einwohner waren 2016 älter als 65 Jahre. Ende 2015 lag das Durchschnittsalter aller Bundesbürger bei 44 Jahren und 3 Monaten - erstmals seit 1990 bedeutete das einen leichten Rückgang, der aber ausschließlich durch die Einwanderung verursacht wurde. Große Kosten, große Belastungen - aber auch große Chancen.

Deutschland befinde sich "auf dem Weg zur Greisen-Republik" hieß es 2007 in der fiktiven ZDF-Dokumentation "2030 - Aufstand der Alten".

Senioren zufriedener als vor 20 Jahren

Verarmte, vereinsamte Rentner, in den Selbstmord getrieben: Ein Horrorszenario, für das es derzeit kaum Anzeichen gibt. "Die Alten von morgen haben mit ihren Großeltern etwa so viel gemeinsam wie das Telefon der 50er Jahre mit dem Smartphone von heute", macht der Volkswirtschaftler Thomas Straubhaar in Studie "Der Untergang ist abgesagt" Mut.

Anders als viele negative Stereotype glauben machen wollen, sind die Senioren heute zufriedener als vor 20 Jahren. Sie fühlen sich jünger und fitter und haben im Schnitt mehr Geld in der Tasche. Das zeigen etwa die 2017 veröffentlichten, 2015 erhobenen Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP): Auf einer Skala, die von 0 (ganz und gar unzufrieden) bis 10 (ganz und gar zufrieden) reicht, lag die durchschnittliche Zufriedenheit der Senioren 1995 noch bei 6,8 - zwanzig Jahre später bereits bei 7,2.

Nach einer ebenfalls 2017 veröffentlichten Studie des Versicherungskonzerns Generali fühlten sich die 65- bis 85-Jährigen im Schnitt rund 7,5 Jahre jünger. So sind 58 Prozent noch mit dem eigenen Auto unterwegs. Bei den 80- bis 85-Jährigen sind es immer noch 38 Prozent - zehnmal mehr als 2013. Fast zwei Drittel sehen ihre wirtschaftliche Lage positiv. 40 Prozent bewerteten ihren Gesundheitszustand als uneingeschränkt positiv.

Allerdings gibt es erhebliche Unterschiede nach sozialer Schichtung: So sehen 65- bis 85-Jährige aus unteren sozialen Schichten ihre gesundheitliche Situation oftmals kritisch, fühlen sich gleichzeitig von neuen Techniken überfordert und sind häufig deutlich unzufriedener mit dem eigenen Leben als Personen aus höheren sozialen Milieus.

Zunehmende Vereinsamung nicht festzustellen

Wissenschaftler widersprechen auch der Annahme, dass Senioren im Alter zunehmend vereinsamen. Zwei Drittel der 65- bis 85-Jährigen leben noch mit einem Partner zusammen. 69 Prozent können zudem auf einen festen Freundes- und Bekanntenkreis zurückgreifen - das soziale Netzwerk hat sich weit über die Kernfamilie erweitert, wie das Deutsche Zentrum für Altersfragen ermittelt hat. Offen ist allerdings, ob sich diese Entwicklung fortsetzt. Denn Menschen im mittleren Lebensalter leben heute seltener in langjährigen Ehen und bleiben häufiger kinderlos; der Anteil Alleinlebender könnte wieder steigen.

Und überhaupt: Trotz vieler positiver Entwicklungen lassen sich die Probleme nicht leugnen. Schon heute stellt die wachsende Zahl alter Menschen die Medizin vor große Herausforderungen. "Auf die Altersmedizin in Deutschland rollt ein Tsunami zu", analysiert die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie. Allein zwischen 2006 bis 2015 stieg die Zahl alter Krankenhauspatienten von 1,1 Millionen auf 2 Millionen an, so die Krankenkasse Barmer. 

Umdenken in der Medizin

Das erfordert ein Umdenken der Medizin: Notwendig sind etwa besondere Kenntnisse über Mehrfacherkrankungen, die Wechselwirkungen von Arzneimitteln, zunehmende Pflege bei Demenz und veränderte Therapieziele: Ärzte müssen die Behandlung so gestalten, dass dem Patienten im verbleibenden Leben möglichst viel Lebensqualität erhalten bleibt, so Experten.

"Je älter der Mensch wird, desto kleiner wird sein Aktionsradius", beschreibt auch der Heidelberger Gerontologe Andreas Kruse Einschränkungen. Um so wichtiger werde sein Wohn- und Lebensort.

Städte und Gemeinden müssten deshalb gestärkt werden, um gut erreichbare Geschäfte und Freizeitangebote, bezahlbare Wohnungen, lebendige Nachbarschaften sowie eine gute medizinische und pflegerische Versorgung garantieren zu können.


Quelle:
KNA