Warum viele ihren Bundesfreiwilligendienst vorzeitig abbrechen

Gehen, um wiederzukommen

Gut 300.000 Menschen haben in Deutschland seit 2011 Bundesfreiwilligendienst geleistet und sich sozial engagiert. Fast ein Drittel davon brach den Dienst aber vorzeitig ab. Für manche Einrichtungen ist das unter Umständen aber sogar ein Gewinn.

Bundesfreiwilligendienstler helfen bei der Pflege / © Friso Gentsch (dpa)
Bundesfreiwilligendienstler helfen bei der Pflege / © Friso Gentsch ( dpa )

DOMRADIO.DE: Im Moment sind neun Freiwillige in Ihrer Einrichtung im pädagogischen Bereich tätig, anfangen kann man immer im September – klären Sie vorher mit den Bewerbern ab, ob die geeignet sind und spielt das Durchhalten eine Rolle?

Marco Gillrath (Geschäftsführer und Leiter des Dormagener Raphaelshauses): Wir haben ein Bewerbungssystem, das heißt, wir haben eine Bereichsleiterin, die zuständig ist für die Betreuung unserer Freiwilligen. Sie führt zuerst ein Gespräch mit den Freiwilligen und erklärt, in welchen Gruppen sie ihren Dienst ableisten können. Dann geht es in eine zweite Runde, in der sich der Freiwillige jeweils beim Team vorstellt. Das wichtigste kommt danach: Wir laden den Freiwilligen ein, für zwei Tage bei uns zu hospitieren. Danach gibt es dann noch ein Gespräch, inwiefern dieser Dienst das richtige für ihn oder sie ist. Es ist ganz wichtig, dass die Freiwilligen einen Eindruck haben, was in den nächsten zwölf Monaten auf sie zukommen könnte.

DOMRADIO.DE: Fast ein Drittel der Leute, die so einen Bundesfreiwilligendienst seit 2011 gemacht haben, haben die Stelle vorzeitig aufgegeben. Jetzt fordert die Sprecherin für bürgerschaftliches Engagement der Linken, Katrin Werner, dass "die Qualität des Dienstes, der Arbeitsbedingungen und des Bildungsprogramms auf den Prüfstand gestellt werden" müsse. Ist das eine gute Idee?

Gillrath: Ich finde, man muss noch mal genau gucken, was es denn heißt "abzubrechen". Wir fangen immer zum 1. September an, nach den Sommerferien. Wir wissen jetzt schon, dass zwei von unseren zehn Freiwilligen am 1. August des kommenden Jahres eine Erzieherausbildung anfangen möchten. Das heißt, die beiden können ihren Dienst keine zwölf Monate lang leisten. Wenn wir das als "Abbruch" werten, dann hätten wir 20 Prozent Abbruchrate. Aus meiner Sicht ist das aber kein Abbruch.

Wir sind ja ganz froh über die Freiwilligen, die sich dann auch für den sozialen Bereich entscheiden. Denn wir wollen ja auch das Feuer entfachen für die Jugendhilfe bei den jungen Menschen. Wir haben auch viele, die nach der Erzieherausbildung wieder zu uns zurückkommen. Ich würde das also nicht als Abbruch werten, sondern ich finde, man müsste genau gucken: Warum hören die Freiwilligen auf? Ist es, weil sie früher einen Studienplatz bekommen oder weil sie eine Ausbildung machen?

DOMRADIO.DE: Wenn die oder der Freiwilligendienstleistende jetzt früher den Job beendet – was hat das für Folgen für Ihr Raphaelshaus? Wird es dann eng, weil Sie die Arbeitskräfte ja einplanen?

Gillrath: Also wenn es wirklich nur dieser eine Monat ist und wir das auch vorher wissen, dann wird es nicht eng. Man muss dazu sagen: Der Freiwilligendienst ist zusätzlich. Wir planen den ja nicht in unsere Dienste ein, sondern der Freiwillige unterstützt die Kollegen und macht alleine was mit den Kindern, liest was vor oder betreut bei den Hausaufgaben. Natürlich fehlt uns dann der Freiwillige, wenn er verfrüht weg ist.

Aber es ist nicht so, dass der Dienst nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Von daher ist das zu verkraften. Wir haben auch den Gewinn, dass einige Freiwillige nachher als Arbeitskräfte wiederkommen. Dann ist gerade angesichts des Fachkräftemangels schön, wenn sie eher aufhören, die Erziehung machen und zu uns zurückkehren.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Marco Gillrath, Direktor Raphaelshaus, Jugendhilfezentrum (privat)
Marco Gillrath, Direktor Raphaelshaus, Jugendhilfezentrum / ( privat )
Quelle:
DR
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