Vergessene Nachrichten 2017

Initiative zeigt Defizite in den Medien

Behinderte am Arbeitsplatz, der Monsun in Südasien oder die Finanzkrise in Portugal: Fachleute haben erneut die "Top Ten der vergessenen Nachrichten" gekürt, Themen, über die die Medien nur selten berichten.

Integration Behinderter in der Arbeitswelt / © Stefan Puchner (dpa)
Integration Behinderter in der Arbeitswelt / © Stefan Puchner ( dpa )

Auf Platz eins der Rangliste steht die Lage von Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt. Auf den Rängen zwei und drei folgen Portugal nach der Finanzkrise sowie der Monsun von 2017 in Südasien. Die Themen wurden am Montag von der Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) und dem Deutschlandfunk in Köln vorgestellt.

Die INA benennt seit 1995 jährlich zehn Themen, die nach Einschätzung einer Jury aus Journalisten und Wissenschaftlern in den Medien zu wenig Aufmerksamkeit erhalten haben. 

"Barrieren in den Köpfen überwinden"

Zur Eingliederung von Behinderten hieß es: "Medien sollten es sich aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung und fehlender Berührungspunkte im Alltag zur Aufgabe nehmen, Barrieren und Vorurteile durch vermehrte journalistische Berichterstattung auf Augenhöhe zu verringern, anstatt sie wie bisher weiter zu verfestigen."

Unter den Menschen im erwerbsfähigen Alter steige der Anteil von Behinderten. "Dennoch bekommt man in den Medien erstaunlich wenig über Inklusion in der Arbeitswelt zu hören, zu lesen und zu sehen." Es sei überfällig, dass Medien beitrügen, Barrieren in den Köpfen zu überwinden, so INA-Geschäftsführer Hektor Haarkötter. 

"Positive Effekte jahrelang nicht beachtet"

Mit Blick auf Portugal, das sich ohne harten Sparkurs aus der Finanzkrise gearbeitet habe, erklärte die Jury: "Die positiven Effekte wurden lange Zeit in den deutschen Medien nicht beachtet oder als nur temporäre Entwicklung abgestempelt." Das Land habe einen Kredit von 1,7 Milliarden Euro vorzeitig an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen können.

Vernachlässigt sieht die Initiative auch den Monsun in Südasien, von dem im Sommer 2017 laut Schätzungen über 40 Millionen Menschen betroffen waren. "Dennoch ähnelte die Berichterstattung in ihrem Umfang nicht annähernd dem, wie sich die Medien nur zwei Wochen später mit dem Hurrikan Harvey befasst haben, als der in Texas für Verwüstung sorgte." Nur wenigen Medien sei eine Reflexion darüber gelungen.

Vernachlässigt: Gesundheitsversorgung in Enwicklungsländern

Laut Jury wird auch zu wenig darüber berichtet, dass lebensrettende Medikamente in Entwicklungsländern oft unerschwinglich seien (Platz 5): Nur zwölf Prozent der Patienten erhielten die nötige Versorgung. Ein Drittel der Weltbevölkerung müsse verzichten, zugleich hätten "wichtige Pharmafirmen" ihren Sitz in Deutschland, was das Thema hierzulande relevant mache.

Auch vernachlässigt werde die Krise im Tschad (10), einem der ärmsten Länder der Welt mit 700.000 Flüchtlingen. Rund eine Million Menschen litten akut an Hunger. Fast völlig unbekannt in Deutschland sei, dass in Tschechien kinderreiche Roma-Frauen zwangssterilisiert würden (9) - der letzte dokumentierte Fall sei von 2007.

Auf der Rangliste finden sich neben der Abschaffung des Bevölkerungsschutzes in Deutschland bei einem atomaren GAU (6) auch viele vergessene Nachrichten zum Thema Arbeit: Lohndumping auf Containerschiffen (4), Gesundheitsrisiken sowie fehlende politische Regulierung von Schichtarbeit (7) und Gewalt von Patienten gegen Beschäftigte in psychiatrischen Einrichtungen (8).


Quelle:
KNA