Gundula Gause über Rolle der Kirchen in Medien und Gesellschaft

"Kirche muss sich einmischen"

Seit 25 Jahren ist Gundula Gause Nachrichtenmoderatorin im "heute-journal". Daneben engagiert sie sich ehrenamtlich für das Hilfswerk missio. Im Interview spricht sie unter anderem über ihren Glauben und Afrika.

Gundula Gause in Südafrika / © Harald Oppitz (KNA)
Gundula Gause in Südafrika / © Harald Oppitz ( KNA )

KNA: Frau Gause, 25 Jahre "heute-journal" – in der Zeit hat sich vieles rasant verändert in den Medien. Ist das eher Fluch oder Segen?

Gause: Von beidem etwas. Am gravierendsten ist die Digitalisierung, die ich als eher positiv empfinde: Wir haben viel mehr Quellen für unsere journalistische Arbeit, die dadurch immer dichter und schneller geworden ist. Und zugleich muss man umso genauer hinschauen, alle Informationen noch sorgfältiger prüfen, um sich nicht vor einen Karren spannen zu lassen.

KNA: Stichworte wie "Lügenpresse" und "Staatsfernsehen" machen die Runde. In der Schweiz gibt es sogar eine Volksabstimmung gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wie groß ist der Druck?

Gause: Natürlich nimmt der zu. Aber ich hoffe doch sehr, dass sich in Politik und Gesellschaft die Einsicht durchsetzt, dass die Öffentlich-Rechtlichen weiter gebraucht werden – gerade in dieser Zeit des Populismus und der ausufernden Verschwörungstheorien.

Sicher sind wir nicht unfehlbar, aber eines ist klar: In unseren Strukturen, in den verschiedenen Redaktionen und Studios wird akribisch, ernsthaft und verlässlich recherchiert und gearbeitet, um jede Unwucht zu vermeiden – und das übrigens ohne den angeblichen täglichen Anruf aus den Parteizentralen, worüber wir wie berichten sollen. Es gibt keine politische Instrumentalisierung in der Form, wie sie uns von manchen vorgeworfen wird.

KNA: Neben der Arbeit engagieren Sie sich im kirchlichen und sozialen Bereich. Warum ist das für sie wichtig?

Gause: Joachim Gauck hat mal gesagt "Ohne das Ehrenamt funktioniert unsere Gesellschaft nicht". Ich ziehe den Hut vor Millionen Menschen, die sich noch mit einem ganz anderen Aufwand als ich ehrenamtlich betätigen – in Kirche, Sport, Kultur, Flüchtlingshilfe, für Kinder und Senioren, Kranke oder Menschen mit Behinderungen. Man bekommt so viel zurück an Dank und Anerkennung und hat so wertvolle Begegnungen.

Es macht einfach Spaß.

KNA: Seit langem sind Sie Botschafterin für das katholische Hilfswerk missio – insbesondere für den Afrikatag. Warum gerade dafür?

Gause: Zum einen öffnet mir das einen sehr wertvollen Blick über meinen Redaktionscomputer hinaus in die weite Welt. Ich habe über missio viele Priester und Ordensleute kennengelernt, die sich in größter persönlicher Bescheidenheit einsetzen für Arme, Kranke, Ausgegrenzte, für Flüchtlinge. Und das aus einer christlichen Nächstenliebe heraus, die ich bewundernswert finde. Wenn ich da ein wenig mithelfen kann, ist das sehr erfüllend.

KNA: Und warum Afrika?

Gause: Es ist der Kontinent, der uns sehr nahe ist und von dem wir doch so wenig wissen. Aktuell wird ja viel über Fluchtursachen diskutiert: Man sollte es den Menschen ersparen, den extrem gefährlichen Weg übers Meer anzutreten, um nach Europa zu kommen. Das ist das eine. Zum anderen hat Afrika ein Riesen-Potenzial – das sollten wir nicht nur China überlassen, das sich da sehr engagiert.

Und gerade viele Christen in Afrika habe ich als so optimistisch und engagiert erlebt. Mal abgesehen von der immer noch riesigen Not, in der viele Menschen dort leben. Es sollte Aufgabe des doch reichen Europa sein, da zu helfen – auch indem Afrika als Handelspartner stärker anerkannt wird. Es gibt viele Möglichkeiten zu handeln, im Großen und im Kleinen.

KNA: Zum Beispiel?

Gause: Ganz konkret habe ich Menschen wie Schwester Christine im Senegal vor Augen, die mit einem unglaublichen Einsatz gegen Genitalverstümmelung kämpft, Mädchen und junge Frauen stark macht und sie so vor diesem grausamen Ritual bewahrt.

KNA: Wie wichtig ist Ihnen selbst der Glaube?

Gause: Er gehört einfach dazu und ich empfinde den christlichen Glauben als Geschenk, als festes Wertegerüst, das mir immer wieder hilft. Ich will aber niemanden missionieren und respektiere jeden, der was anderes glaubt oder auch gar nicht glaubt.

Und aktuell wünsche ich mir, dass die Gläubigen aller Religionen zu mehr Frieden beitragen und gegen jede Form von Fundamentalismus und Rassismus sowie gegen jede Form eines erneut aufkommenden Antisemitismus vorgehen.

KNA: Sie engagieren sich für ein katholisches Hilfswerk, sind selbst Protestantin. Was bedeutet Ihnen Ökumene?

Gause: Wir leben sie einfach, die Ökumene. Mein Mann und die Kinder sind katholisch. Wir gehen gemeinsam in die katholische Pfarrei in unserem Mainzer Stadtteil und ich fühle mich da auch sehr aufgenommen. Gerade nach dem Reformationsjubiläum 2017 ist mein Eindruck, dass die Kirchen noch weiter gekommen sind auf einem guten gemeinsamen Weg.

Das harmonische Miteinander von Kardinal Marx und dem EKD-Ratsvorsitzenden, Landesbischof Bedford-Strohm, finde ich hervorragend, ebenso die Impulse von Papst Franziskus. Ich will mir keine theologischen Urteile anmaßen, finde aber, wir sollten uns doch auf das Gemeinsame besinnen und zusammen unsere wichtige Rolle als Christen in der Gesellschaft ausfüllen.

KNA: Es gibt aber auch Stimmen, die den Kirchen vorwerfen, sei seien viel zu politisch und sollten sich doch auf die Verkündigung und die Weitergabe des Glaubens konzentrieren...

Gause: Für mich gehört das untrennbar zusammen. Kirche sollte unbedingt weiter aktuelle Themen aufgreifen und sich sogar noch deutlicher zu Wort melden. Dabei muss sie durchaus auch unbequem sein, wenn es darum geht, Politik und Gesellschaft an christliche Werte und Wurzeln zu erinnern. Kirche darf sich nicht in den frommen Elfenbeinturm zurückziehen, sie muss sich einmischen, meine ich.

KNA: Und was muss Kirche tun, um im "heute-journal" vorzukommen? Und das nicht nur mit irgendwelchen Skandalen...

Gause: Schwierige Frage. Darüber diskutieren wir häufig in der Redaktion. Innerkirchliche Debatten haben es da schwer. Es geht ja im Fernsehen auch darum, Geschichten zu erzählen – möglichst mit guten Bildern. Und das geht wohl am besten bei konkretem Engagement in der Gesellschaft, für die Menschen und in aktuellen sozialen und politischen Fragen. Das funktioniert eben nur, wenn Kirche sich weiter einmischt.

Gottfried Bohl


Quelle:
KNA