Vor 100 Jahren starb die Ordensgründerin Franziska Cabrini

Die Heilige der Migranten

Franziska Cabrini gilt als Schutzheilige der Migranten. Sie sorgte sich um die Integration italienischer Einwanderer in Amerika. Der Mailänder Hauptbahnhof ist nach der modernen Heiligen genannt.

Glasbild von der heiligen Franziska Xaviera Cabrini / © Gregory A. Shemitz (KNA)
Glasbild von der heiligen Franziska Xaviera Cabrini / © Gregory A. Shemitz ( KNA )

Wellen von Arbeitsmigranten rollten Ende des 19. Jahrhunderts an die amerikanische Ostküste. Vor allem junge Männer aus Süditalien hatten sich seit den 1880er Jahren durch Bilder vom Wohlstand der Neuen Welt locken lassen. Ohne Sprachkenntnis und Ausbildung wurden sie Opfer von Vorurteilen: Manche, wie der Gangster-Boss Al Capone rutschten in Kriminalität ab; die meisten aber wurden zur Beute von Kapitalisten und landeten in Slums.

Der American Dream wurde für sie zum Alptraum - eine Herausforderung für eine charismatische Sozialarbeiterin wie Franziska Cabrini, die am 22. Dezember 1917 in Chicago starb.

Im Spiel wurden Puppen zu kleinen Nonnen

Bei der Geburt im Sommer 1850 war nicht klar, ob das 13. Kind der mittlerweile 52-jährigen Stella Cabrini überhaupt überleben würde. Die Frühgeburt von sieben Monaten wirkte so zerbrechlich, dass das kleine Mädchen noch am selben Tag in der Dorfkirche von Sant' Angelo Lodigiano bei Mailand getauft wurde. Aber Franziska überlebte nicht nur, sondern legte in 67 enorm aktiven Jahren auch eine satte Performance hin.

In der Bauernfamilie war es Brauch, dass man sich abends in der geheizten Küche versammelte und der Familienvater vorlas. Vor allem Missionsgeschichten beflügelten die Fantasie der kleinen Francesca. Im Spiel wurden Puppen zu kleinen Nonnen. Sie bastelte Papierboote, legte Veilchen hinein, nannte die Blumen Missionarinnen und schickte sie in einem Kanal auf Reise nach China und Indien.

Franziska war eine gute Schülerin, schon mit 18 Jahren hatte sie das Lehrerinnen-Examen in der Tasche. Nach erster Berufserfahrung an einer Schule übernahm sie die Leitung eines Waisenhauses. Franziska erwies sich als begnadete Pädagogin und Organisatorin, als Führungstalent, dem die Herzen zuflogen. Aber sie rieb sich in Geplänkel und diplomatischem Taktieren mit der Stifterin auf. Diese hatte ihr Vermögen in das Haus gesteckt und wurde nicht müde, unfähig hineinzuregieren.

Ganzheitlicher Bildungsansatz

Ohne theoretische Vorkenntnis entwickelte Franziska ein pädagogisches Konzept: ein ganzheitlicher Bildungsansatz mit Herzensbildung, ohne intellektuelle Schlagseite. Ihre spätere Erfahrung mit Migranten machte sie zur Verfechterin einer bilingualen Erziehung, schließlich war die Zweisprachigkeit ein natürlicher Vorteil von Einwanderern.

Auch die individuelle Förderung war für sie selbstverständlich. Franziska Cabrini konnte nicht verhindern, dass das Waisenhaus geschlossen wurde. Aber der zuständige Bischof schätzte ihre Arbeit sehr und drängte, eine eigene Gemeinschaft aufzubauen. Mit sieben Zöglingen aus dem aufgelassenen Heim begann sie am 14. November 1880 eine vita communis, ein gemeinschaftliches Leben. Es gab viel zu tun, aber es gab auch Inseln des gemeinsamen Gebets.

Nebenher verfasste die Gründerin eine einfache Regel für ihre Kongregation der Missionarinnen vom heiligen Herzen Jesu, die rasch expandierte.

"Nicht nach dem Osten, sondern nach dem Westen"

Die Ordensstifterin wurde zur "Madre Cabrini". Als Patrone wählte sie Franz von Sales und Franz Xaver, den Sendboten Ostasiens; nach dem Vorbild ihrer Kindheitsträume nannte sich die Charismatikerin nun Franziska Xaviera. Ihre Konvente nahmen Findelkinder und Waisen auf, eröffneten Schulen und Internate für "höhere Töchter", die sich als Einnahmequelle bewährten. Als der Ruf der Missionarinnen selbst Rom erreichte, bat "Mutter Cabrini" um eine Audienz beim Papst.

Leo XIII., der Papst der fundamentalen Sozialenzykliken, war begeistert von ihrer imposanten Lebensleistung. Aber er gab dem Missionsfeuer von Madre Cabrini eine neue Richtung: "Nicht nach dem Osten, sondern nach dem Westen" solle sie ihre Aktivitäten lenken.

Wie Columbus fand sie ihr Ostindien in Amerika. Am 31. März 1889 landete Cabrini in New York, um ihr Werk zu vollenden: Mit Unterstützung von mehr als 1.500 Mitschwestern gründete sie 67 Institutionen wie Waisenhäuser, Kindergärten, Schulen und Hospitäler in Europa, Nord- und Südamerika. Im ausgehenden Segler-Zeitalter überquerte sie 23 Mal den "großen Teich".

Realitätssinn und politische Urteilskraft

Die Missionarinnen kümmerten sich zunächst um arme, gering qualifizierte Süditaliener. Madre Cabrini vertrat eine gesunde Mischung von Erhaltung der kulturellen Identität und Anpassung an den American Way of Life. Sie war bald selbst US-Staatsbürgerin, widersetzte sich aber energisch allen nationalistischen Strömungen.

Franziska Cabrini war keine politisch naive Betschwester. Vielmehr besaß sie seltenen Realitätssinn und politische Urteilskraft. Sie kämpfte gegen die anonyme Vermassung und entwickelte eine soziale Philosophie, um die inneren Werte und Würde eines jeden Menschen - egal welcher Hautfarbe oder Steuerklasse - zu stärken.

Papst Pius XII. hat bei ihrer Kanonisierung den Gegensatz ihrer schwachen Gesundheit zu der wunderbaren Kraft hervorgehoben, mit der die Heilige "den Willen Gottes" erfüllte.

Von Anselm Verbeek


Quelle:
KNA
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