Online-Plattformen beschleunigen individuelle Spendenprojekte

"5.000 Euro für die Familienzusammenführung"

Vor Weihnachten Gutes tun, steht hoch im Kurs. Im Netz werben immer mehr Privatpersonen um Spenden, etwa für eine Familienzusammenführung aus dem Irak. Eine Konkurrenz für klassische Hilfswerke?

Autor/in:
Anna Mertens
DZI: Orientierung beim Spenden  / © Patrick Pleul (dpa)
DZI: Orientierung beim Spenden / © Patrick Pleul ( dpa )

5.000 Euro in sieben Tagen: Rainer N. kann es kaum fassen. Der Journalist hatte Mitte Dezember eine Online-Spendenaktion gestartet, um einem irakischen Flüchtling aus der Nachbarschaft zu helfen, den fünfjährigen Sohn aus einem türkischen Flüchtlingslager nachzuholen. Trotz dreijähriger Aufenthaltsgenehmigung konnte der 37-Jährige sein Kind nicht vor dem Weihnachtsfest nach Deutschland bringen. Die Kosten für Anwalt, Dolmetscher und Behörden waren schlicht zu hoch. Doch der hilfsbereite Nachbar löste das Problem mit einem Spendenaufruf im Netz. Gut eine Woche später hat er mehr als 5.000 Euro zusammen, nun will er weitere Familienzusammenführungen unterstützen.

Online-Spendenplattformen zeigen, dass auch im Wohltätigkeits-Sektor das Internet die Welt verändert. Sie bieten Einzelpersonen die Möglichkeit, um Geldgeschenke zu bitten - für Wohltätiges, aber auch weniger Wohltätiges. Der eine bittet um Hilfe für Flüchtlinge, der andere um Hilfe bei der eigenen Hochzeitsreise. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Rund 100 solcher Portale sind auf dem deutschen Markt aktiv.

Für die etwa 2.000 spendenwerbenden Nichtregierungsorganisationen und Hilfswerke sind die Plattformen echte Konkurrenz - und das, obwohl die Portale bei individuellen Kampagnen nicht die beliebten steuermindernden "Spenden-Bescheinigungen zur Vorlage beim Finanzamt" ausstellen.

GoFundMe hat mehr als fünf Milliarden Dollar gesammelt

Die amerikanische Plattform "GoFundMe" hat Anfang Dezember ihre deutsche Version online gestellt. Sie wirbt als "die seriöse Spendenplattform, der Menschen vertrauen" und gibt an, schon weltweit mehr als fünf Milliarden Dollar an Spenden gesammelt zu haben. Ein persönliches Projekt lässt sich mit wenigen Klicks einstellen: Daten zur Person eintragen, Bilder einfügen und das Anliegen "detailreich und ehrlich" erklären. Anschließend kann der Link an Bekannte verschickt werden, die ihn wiederum weiterleiten - der klassische Schneeballeffekt.

Für das Anliegen der irakischen Familie hat es sich ausgezahlt. 43 Personen haben bei "GoFundMe" Geld gegeben, weitere Spenden gab es per Banktransfer oder in bar. Die höchste anonyme Online-Spende betrug 1.385 Euro. Für Spender ist die Aktion kostenfrei. Wer um Geld bittet, muss allerdings in Deutschland 5 Prozent der Summe an die Organisation abtreten, weitere 3,45 Prozent für Mehrwertsteuer und Gebühren und nochmals 25 Cent pro Spende. Rainer N. schreckt das nicht ab. "Die Organisation muss sich ja auch finanzieren, und bei uns hat alles reibungslos funktioniert", lautet seine Bilanz. Als 3.500 Euro eingegangen waren, hat er mit der Flüchtlingspatin der Familie bereits einen Anwalt beauftragt, erste Schritte einzuleiten. Die Verwaltung der Spenden übernehme nun auch die Flüchtlingspatin.

Spender wollen Menschen in Not direkt helfen

Der Journalist kennt alle Beteiligten persönlich. Wie aber grundsätzlich die Seriosität von Projekten gewährleistet wird, bleibt unklar. Das Unternehmen verweist auf den gesunden Menschenverstand und «Recht und Gesetz». Wenn eine Kampagne «im seltenen Fall» nicht in Ordnung sei, werde das Geld zurückerstattet. Anfragen zur Überprüfung blieben jedoch unbeantwortet. 

Der Reiz solcher Plattformen liegt aus Sicht der Geschäftsführerin des Deutschen Spendenrats, Daniela Geue, in der individuellen Ansprache: "Die Menschen möchten gerne wissen, wo ihr Geld landet und mögen das Gefühl, dass sie einem Menschen in Not direkt helfen." Für manche sei das ansprechender als ein Hilfswerk, wo die Spenden in einen großen Topf fließen.

Der Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Soziale Fragen (DZI), Burkhard Wilke, warnt vor Schneeballeffekten. Das Internet könne den Bekanntenkreis erweitern - trotzdem solle jeder prüfen, ob ein Projekt eine Spende verdiene. Eine große Zahl von Unterstützern mache zweifelhafte Projekte nicht seriöser. Bei einigen Plattformen deute sich hier ein Wandel an, sagt Wilke. So konzentriere sich das gemeinnützige Portal "betterplace.org" inzwischen auf die Unterstützung für kleinere, als gemeinnützig geprüfte Projekte von Nichtregierungsorganisationen. Transparenz steht nach eigenen Angaben an erster Stelle. Und: Seit einer Weile kann man dort gar nicht mehr für rein private Projekte sammeln.


 Entwicklung des privaten Spendenaufkommens 2005 bis 2016 / © Grafik: S. Stein (dpa)
Entwicklung des privaten Spendenaufkommens 2005 bis 2016 / © Grafik: S. Stein ( dpa )
Quelle:
KNA