Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen

Nirgendwo eine Zuflucht

Frauen fliehen vor der Gewalt ihres Partners und suchen Schutz. Doch Frauenhäuser müssen sie oft abweisen, weil sie keinen freien Platz mehr haben. Nach Schätzungen kommt das mehrere tausend Mal im Jahr vor.

Autor/in:
Pat Christ und Patricia Averesch
Zuflucht in einem Frauenhaus / © Ina Fassbender (dpa)
Zuflucht in einem Frauenhaus / © Ina Fassbender ( dpa )

Als ihr Mann wieder mal ausflippte, als er sie beschimpfte und auf sie einprügelte, hatte Simone S. (Name geändert) aus Würzburg genug. Sie rief die Polizei. Die erteilte ihrem Gatten einen Platzverweis. Dennoch hatte Simone S. Angst, die Nacht alleine in der Wohnung zu verbringen. Sie meldete sich bei der Rufbereitschaft der beiden Würzburger Frauenhäuser. Dort hörte sie, dass kein Zimmer frei sei: "Sie müssten eine oder zwei Nächte in der Bahnhofsmission verbringen."

Simone S. reagierte entsetzt: "Ich will doch nicht am Bahnhof landen!" Brita Richl vom Frauenhaus der Würzburger Arbeiterwohlfahrt, die an diesem Freitagabend Rufbereitschaft hatte, redete ihr gut zu.

Es gebe keine andere Möglichkeit. Morgen würde sie persönlich in die Bahnhofsmission kommen, um gemeinsam mit Simone S. zu überlegen, wie es für sie weitergehen könnte. Frauen zu vertrösten, gehört zum Alltagsgeschäft von Brita Richl und ihren Kolleginnen. "2015 mussten wir 76 Frauen abweisen", sagt die Leiterin des AWO-Frauenhauses.

Weltweites Problem

Nicht nur in Deutschland fliehen Frauen vor ihren Partnern. Gewalt gegen Frauen ist ein weltweites Problem, auf das an diesem Samstag mit dem jährlichen Aktionstag aufmerksam gemacht werden soll. Der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen prangert Gewalt in der Familie, in Kriegen und auf der Flucht an.

In Deutschland bieten laut Heike Herold, Geschäftsführerin der bundesweiten Dachorganisation Frauenhauskoordinierung, 353 Häuser Frauen Schutz. Hochrechnungen zufolge wurden 2015 rund 15.000 Frauen in ein Frauenhaus aufgenommen. Viele Tausend mussten aber abgewiesen werden, sagt Vereinsgeschäftsführerin Herold. "Gerade in Großstädten mangelt es extrem an Plätzen." Dass jedes Jahr etliche von häuslicher Gewalt bedrohte Frauen in Deutschland keinen Schutz finden, findet sie empörend.

Auch in NRW sieht es nicht besser aus. 2015 nahmen die 62 Frauenhäuser knapp 3.000 Frauen auf, über 6.600 Anfragen mussten sie ablehnen. "In den meisten Häusern herrscht praktisch ein Aufnahmestopp", schildert die sozialpolitische Beauftragte der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, Helga Siemens-Weibring, die dramatische Lage. "Wir brauchen mehr Plätze und mehr Personal."

Die Platznot in den Frauenhäusern resultiert vor allem daraus, dass Frauen immer länger in den Einrichtungen bleiben. Dies wiederum liegt daran, dass Frauen, wenn sie wieder allein leben könnten, keinen bezahlbaren Wohnraum finden. "In den letzten Jahren hat bei uns außerdem die Zahl der Kinder, die ihre Mütter in Frauenhäuser begleiten, kontinuierlich zugenommen", sagt Monika von der Lippe, Gleichstellungsbeauftragte des Landes Brandenburg. Aktuellen Daten zufolge haben 2015 mehr Kinder Schutz im Frauenhaus gefunden als Frauen.

Kinder leiden mit

Die Kinder leiden, wenn sie miterleben, dass ihr Vater ihre Mutter schlägt. Dem Essener Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten Christian Lüdke zufolge muss das Kind nicht zwingend die Tat beobachten oder hören, sondern es bemerke diese auch am Verhalten der Eltern. "Die Folgen für die Kinder sind katastrophal", mahnt Lüdke.

Die Kinder seien stark verunsichert, hätten tiefsitzende Ängste und fühlten sich verantwortlich. "Die Kinder schaffen es nicht alleine aus der Situation, sie brauchen Hilfe", betonte Lüdke.

Kathrin Hampel vom Frauenhaus in Jena fordert einen voraussetzungslosen Rechtsanspruch auf Schutz vor häuslicher Gewalt. Dieser geht nach ihrer Ansicht aus der sogenannten Istanbul-Konvention hervor. Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt trat am 1. August 2014 in Kraft.

Es schreibt vor, Hilfsangebote für Frauen zu verbessern. Die einzelnen Maßnahmen sehen eine Rechtsberatung, psychologische Betreuung, finanzielle Beratung, Hilfe im Zugang zu Unterbringungsmöglichkeiten wie etwa Frauenhäusern, Aus- und Weiterbildung sowie Unterstützung bei der Suche nach Arbeit vor. Das Übereinkommen wurde von 44 Staaten unterzeichnet und von 24 ratifiziert.


Quelle:
epd