Von innerer Unabhängigkeit und Solidarität mit Notleidenden

"Je weniger ich besitze, desto weniger Angst muss ich haben"

Ein Bett, ein Tisch, ein Schrank; an der Wand ein Kreuz, eine Marienikone und eine Darstellung Jesu mit Johannes: Viel mehr gibt es nicht in Schwester M. Marthas Zimmer. Sie hat sich freiwillig für ein Leben in Einfachheit entschieden. 

Autor/in:
Hilde Regeniter
Schwester M. Martha Kruszynski / © Verena Bauwens  (SPSF)
Schwester M. Martha Kruszynski / © Verena Bauwens ( SPSF )

Wie die meisten Ordensleute hat die Generaloberin der Aachener Franziskanerinnen neben dem Gelübde des Gehorsams und der Keuschheit auch das der Armut abgelegt. Offiziell heißen sie "Armen-Schwestern vom Heiligen Franziskus", und der Name ist Programm, erklärt M. Martha Kruszynski. Denn sie und ihre Mitschwestern wollen nicht nur solidarisch mit all denen sein, die kaum das Nötigste zum Leben haben; sie wollen tatsächlich auch selbst arm leben. Wobei sie unter arm nicht "elendig" verstehen, sondern "ohne jeden Überfluss".

Gemeinsam besitzen die Franziskanerinnen ihr Mutterhaus im Herzen von Aachen; für ihre täglichen Grundbedürfnisse, für Kost und Logis also, ist im Kloster gesorgt. Außerdem steht jeder Schwester ein so genanntes Handgeld zur Verfügung, 20 Euro im Monat, für persönliche Anschaffungen wie zum Beispiel ein Stück Seife, ein Duschgel oder Briefmarken.

Wärmestube für Obdachlose

"Aber wenn ich zum Beispiel neue Schuhe brauche, muss ich meine Mitschwestern darum bitten", erzählt Schwester M. Martha. Das gilt für sie als Generaloberin genau wie für alle anderen. Diese Praxis soll bei der Gewissensentscheidung helfen, ob etwas wirklich nötig ist. Darüber hinaus soll die Scham, etwas von anderen erbitten zu müssen, wiederum zur Solidarität mit den Ärmsten der Armen führen. Schwester Marta und die anderen Ordensfrauen leben also freiwillig arm, um denen nahe zu sein, die unfreiwillig in Armut leben müssen. 

Schwester Marta erzählt von den diversen Angeboten, die die Aachener Franziskanerinnen Menschen in materieller Not machen: der Wärmestube für Obdachlose zum Beispiel, den kostenlosen Mahlzeiten für Bedürftige und den Beratungsangeboten. Dabei machen sie immer wieder die eine Erfahrung: Wie sehr nämlich die Armen sie zu bereichern vermögen;  wie viel Würde, Weisheit und inneren Reichtum gerade die Unterprivilegierten der Gesellschaft in sich tragen.

Schätzen, freuen, genießen

Selbstverständlich orientieren sich die Armen-Schwestern vom Heiligen Franziskus bei alledem auch an ihrem Ordensgründer. "Je weniger ich besitze, desto weniger Angst muss ich haben, um mich, um mein Leben", soll Franziskus einmal gesagt haben.  Für Schwester M. Martha bringt dieses Wort auf den Punkt, worum es im Kern geht: die innere Unabhängigkeit nämlich, die der Verzicht auf allen überflüssigen Besitz mit sich bringt. 

Sie selbst, sagt die Generaloberin, weiß schöne Dinge durchaus zu schätzen und freut sich daran, wie andere sie genießen. Persönlich mehr besitzen möchte sie aber auf keinen Fall: "Ich habe diese Lebensform gewählt, weil sie mich frei macht. Je mehr ich habe, desto unfreier lebe ich."

Früher, so erzählt Schwester M. Martha, sollte der gesamte private Besitz einer Franziskanerin in eine Pappschachtel passen; heute streben die Ordensfrauen danach, dass alle ihre persönlichen Gegenstände in einem einzigen Koffer Platz finden. Das Gelübde der Armut ist unterdessen nicht als Selbstzweck gedacht; Schwester M. Martha versteht es viel mehr als eine Art  Stachel, der sie ständig an die real existierende Not in der Welt erinnert. Sie möchte freiwillig arm leben, um sich weiter berühren zu lassen vom Elend wirklicher, nicht selbstgewählter Armut.


Schild "Armen-Schwestern vom Heiligen Franziskus" / © Hilde Regeniter (DR)
Schild "Armen-Schwestern vom Heiligen Franziskus" / © Hilde Regeniter ( DR )

Klosterkapelle in Aachen  / © Verena Bauwens (SPSF)
Klosterkapelle in Aachen / © Verena Bauwens ( SPSF )
Quelle:
DR