Allianz will Ende der 50-jährigen Gnassingbe-Herrschaft in Togo

Proteste - trotz großer Gefahren

Mehrmals im Monat ziehen im westafrikanischen Togo Zehntausende Menschen auf die Straßen. An diesem Mittwoch ist es wieder soweit. Der Protest richtet sich gegen Präsident Faure Gnassingbe, der nicht von seiner Macht lassen will.

Autor/in:
Katrin Gänsler
David Ekoue Dosseh / © Katrin Gänsler (KNA)
David Ekoue Dosseh / © Katrin Gänsler ( KNA )

David Ekoue Dosseh hat im Moment keine freie Minute. Mal sind es Termine mit Journalisten, mal Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft. Immer wieder schaut er auf seine Handys, damit er keine neuen Mitteilungen verpasst. Innerhalb kurzer Zeit ist "le docteur" oder "le professeur", wie der 48-jährige Chirurg häufig genannt wird, landesweit bekanntgeworden. Er steht an der Spitze der Protestbewegung "Front citoyen Togo debout", die für den westafrikanischen Staat mit seinen 7,6 Millionen Einwohnern zahlreiche Reformen und das Ende der 50-jährigen Gnassingbe-Dynastie fordern.

Am frühen Abend findet Dosseh in seiner Praxis ein wenig Zeit, um über die aktuelle Lage zu sprechen. Als Beispiel nimmt er das Gesundheitssystem, dessen Zustand er schon vor Jahren angeprangert hat. "Nichts geht mehr", sagt er knapp und gleichzeitig mit Bedacht. Patienten würden keine Basisversorgung mehr erhalten, junge Ärzte wandern ins Ausland ab. Die Regierung würde im Schnitt nur ein Drittel des Budgets, das für den Gesundheitsbereich vorgesehen ist, auch dort investieren.

Togo gilt als eines der ärmsten Länder weltweit

Im Bildungsbereich dürfte die Lage kaum besser sein. Es wird geschätzt, dass mehr als 36 Prozent der Einwohner über 15 Jahren weder lesen noch schreiben können. Togo zählt zu den ärmsten Ländern Afrikas. Nach Angaben des World Food Programmes (WFP) haben 58 Prozent der Bevölkerung weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Wer in Togo demonstrieren geht, verdient an diesem Tag kein Geld. "Die Menschen riskieren sogar, dass sie ihre Familien nicht ernähren können", erklärt Dosseh. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Proteste bisher ungebrochen sind.

An Tagen, an denen keine Kundgebungen vorgesehen sind, wirkt die Hauptstadt Lome zwar wie ein recht verschlafenes Nest. Trotzdem gelingt es der Zivilgesellschaft und den 14 Oppositionsparteien seit Mitte August, mehrmals im Monat landesweit Zehntausende Menschen zu mobilisieren. Der Frust auf den Staat ist zu groß. Dass Präsident Faure Gnassingbe, dessen Vater Togo von 1967 bis zum Tod im Jahr 2005 regiert hat, nun Reformen einleiten wird - das glaubt niemand.

Kaum jemand glaubt an faire Wahlen

Trotzdem versucht die Regierung mit verschiedenen Methoden an der Macht zu bleiben. Anfang September hatte sie ein Referendum angekündigt, um über die Begrenzung der Präsidentschafts-Mandate abzustimmen. Doch im Land glaubt kaum jemand an transparente und faire Wahlen. "Dieses Referendum will niemand haben", sagt auch Nathanael Olympio, Interimspräsident der togoischen Partei. "Ich gehe davon aus, dass diese Politik das Land in einen gefährlichen Abwärtstrend bringt."

Hat die Opposition das Referendum noch als Beleidigung betrachtet, muss sie sich nun mit einem neuen Verbot auseinandersetzen: Vergangene Woche kündigte die Regierung an, Demonstrationen unterhalb der Woche zu verbieten, um den Druck zu erhöhen. Doch bisher sind die Zivilgesellschaft und die 14 politischen Parteien geeint und wollen an diesem Mittwoch und am Donnerstag wieder landesweit auf die Straße gehen. "Es gibt überhaupt kein Gesetz, mit dem eine solche Entscheidung begründet werden kann", so Olympio.

Angst vor Gewalt

Wer allerdings auf die Straße geht, riskiert noch etwas anderes. In den vergangenen Monaten wurden Dutzende Menschen verhaftet, verletzt und umgebracht. Für großes Entsetzen sorgte der Tod eines neunjährigen Kindes in Mango, einer Stadt im Norden. Das Kind wurde erschossen.

"Die Menschen sind nicht gestorben, weil sie selbst zu Waffen gegriffen haben, sondern weil Polizei, Gendarmerie und sogar Armee mit Waffengewalt versucht haben, wieder Ordnung herzustellen", kritisiert Aime Adi, Landesdirektor von Amnesty International. In den vergangenen Wochen haben seine Kollegen landesweit zahlreiche Fälle dokumentiert. Auffällig sei die ständige Präsenz der Armee, was Adi als "illegal und inakzeptabel" bezeichnet. Doch untersucht werden dürften diese wohl nie. "Bei früheren Vorfällen sind zwar ab und zu Untersuchungen angekündigt worden. Ergebnisse haben wir aber nie erhalten", lautet das ernüchternde Fazit des Menschenrechtlers.


Quelle:
KNA