Theologe zur Vergabe des Friedensnobelpreises

Ein Schub für den Frieden

Warum der Friedensnobelpreis für ICAN eine gute Entscheidung ist und welche Rolle die Kirche im Kampf für eine atomwaffenfreie Welt spielen kann, erklärt Prof. Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven vom katholischen Instituts für Theologie und Frieden in Hamburg.

Friedensnobelpreis - ICAN / © Martial Trezzini (dpa)
Friedensnobelpreis - ICAN / © Martial Trezzini ( dpa )

domradio.de: Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, kurz ICAN, wird mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Halten Sie das für eine gute Entscheidung?

Prof. Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven (Leiter des katholischen Instituts für Theologie und Frieden in Hamburg): Ich finde, es eine sehr gute Entscheidung. Man kann das Komitee und ICAN nur beglückwünschen zum Nobelpreis. Ich glaube, das gibt der noch sehr wenig berücksichtigten Initiative einen enormen Schub, die in den letzten Wochen und Monaten etwas mehr in das öffentliche Bewusstsein geraten ist. Es zeigt, dass wir daran arbeiten müssen, die nuklearen Waffen, die in der Welt sind, abzuschaffen.

domradio.de: Sie haben ICAN immer im Blick. Wie arbeitet die Kampagne?

Justenhoven: ICAN ist ein Netzwerk mit einer internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen. Es ist ein Dachverband, der sich vor zehn Jahren gegründet hat. Das Ziel ist, die vielen, vielen Initiativen weltweit möglichst zu bündeln, um ein öffentliches Bewusstsein zu schaffen und eine große Bewegung in Gang zu setzen, an deren Endziel eine völlige nukleare Abrüstung steht.

domradio.de: Welche Gefahren gehen heute von Atomwaffen aus?

Justenhoven: Im Grunde haben Sie zwei große Gefahren. Das Eine ist eine unbeabsichtigte nukleare Eskalation. Und wir haben gerade an der – in meinen Augen – völlig unverantwortlichen Reaktion sowohl des nordkoreanischen Machthabers als auch von US-Präsident Trump gesehen, dass sich ein solcher Konflikt aufschaukeln kann und an deren Ende auf einmal eine Reaktion steht, von der man in der Rückschau sagt, das hat eigentlich keiner gewollt und kann niemand gewollt haben.

Aber daneben muss man auch sagen, dass die Atomwaffen in der Welt sind. Und der atomare Müll muss aus der Welt geschafft werden. Das heißt, die Atomwaffen, die einmal gebaut worden sind, die Mengen an spaltbarem Material, werden uns noch auf tausende von Generationen begleiten und sind nach Kenntnisstand der heutigen Technik auch nicht entsorgbar.

domradio.de: Papst Franziskus drängt auf den Verzicht von Atomwaffen – und es gibt bereits eine UN-Initiative von 122 Staaten für den Verzicht auf Atomwaffen. Hat diese Initiative eine Chance?

Justenhoven: Ich glaube schon. Es ist in den letzten 50 Jahren deutlich geworden, dass einerseits die nukleare Abschreckung mitgeholfen hat, einen sehr fragilen, relativen Frieden zu stabilisieren. Auf der anderen Seite war allen Beteiligten klar, dass dieser Zustand nicht von Dauer sein kann. Und wenn Sie die Texte des Konzils vor 50 Jahren, Briefe deutscher Bischöfe oder die Position von Papst Johannes Paul II. aus den 1980er Jahren lesen, dann war immer die Forderung da: Wir müssen den Zustand der latenten nuklearen Gefahr überwinden. Denn allen war völlig klar, diese Waffen darf man nicht einsetzen.

domradio.de: Wie kann sich die katholische Kirche weiter für ein Verbot von Atomwaffen einsetzen?

Justenhoven: Die Kirche kann als Teil der Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit Meinung bilden. Und das ist genau das, was der Papst und die deutschen Bischöfe in ihren Äußerungen die letzten Monate getan haben. Sie haben auf die Gefahr, den Zustand und die Folgen, auch für die Umwelt, aufmerksam gemacht. Und letztlich muss man sagen, es werden in einem dreistelligen Milliardenbetrag derzeit atomare Waffensysteme modernisiert. Mit diesem Geld könnte man wesentlich Sinnvolleres tun.

Das Gespräch führte Hilde Regeniter.


Prof. Dr. Heinz Gerhard Justenhoven, Leiter des katholischen Instituts für Theologie und Frieden in Hamburg / © Harald Oppitz (KNA)
Prof. Dr. Heinz Gerhard Justenhoven, Leiter des katholischen Instituts für Theologie und Frieden in Hamburg / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR