Demenzpatienten im Krankenhaus brauchen spezielle Behandlung

Ein Wohnzimmer als Station

Für Patienten mit Demenz ist ein Krankenhausaufenthalt oft ein Schock, sie verlieren die Orientierung und entwickeln Ängste. Den Kliniken bereiten solche Patienten große Probleme. Doch es gibt Abhilfe. Spezielle Stationen sollen helfen.

Autor/in:
Christoph Arens
Hilfestellung bei Demenz / © Jens Kalaene (dpa)
Hilfestellung bei Demenz / © Jens Kalaene ( dpa )

Deutschlands Kliniken müssen umdenken. "Menschen mit Demenz sind keine Randerscheinung mehr im Krankenhaus", hieß es im 2014 veröffentlichten "Pflege-Thermometer" des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung (dip) in Köln. Nach Schätzungen leidet schon heute rund jeder vierte Patient (23 Prozent) an einer Demenz. "Es gibt kaum Stationen, in denen im letzten Frühdienst keine Patienten mit einer Demenz betreut wurden."

Doch das Umdenken kommt nur zögerlich in Gang: Bundesweit hätten nur wenig mehr als 20 von fast 2.000 Krankenhäusern eigene Stationen für demenzkranke Patienten, berichtete das "Deutsche Ärzteblatt" im Frühjahr unter Berufung auf Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie von 2014. Allerdings gebe es inzwischen weitere Einheiten, etwa in Anbindung an Innere Abteilungen. Und das Bundesfamilienministerium räumt ein: "Noch sind viele Krankenhäuser nur unzureichend auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Demenz vorbereitet."

Spezialstationen hilfreich, aber noch selten

Dabei gibt es viele Hinweise, die die positiven Auswirkungen von Spezialstationen belegen. Die Lebensqualität der Patienten verbessert sich, Verhaltensauffälligkeiten nehmen ab, Kranke müssen seltener fixiert oder mit Psychopharmaka ruhig gestellt werden.

Fest steht: Die Zahl der Patienten mit Demenz in den Kliniken dürfte in der alternden Gesellschaft weiter zunehmen. Lag der Anteil der über 75 Jahre alten stationär behandelten Patienten im Jahr 2000 noch bei 18 Prozent, so waren es 2012 bereits 25 Prozent. Dabei ist die Zahl der betroffenen Patienten kaum zu ermitteln: "Vielfach werden Demenzerkrankungen erst während des Klinikaufenthaltes bemerkt", analysiert die Deutsche Alzheimer Gesellschaft. Das Personal sei dann häufig völlig unvorbereitet.

Schlechte Versorgung in der Nacht

Demenzkranke, die abrupt aus ihrer vertrauten Umgebung gerissen werden, werden oft orientierungslos und entwickeln Ängste. Sie versuchen, die Klinik zu verlassen, können bei Diagnose, Behandlung, Körperpflege nicht mitwirken. Sie benötigen mehr Zeit, Zuwendung und Beaufsichtigung. Doch genau da hapert es: "Acht von zehn befragten Stationen geben an, dass die Versorgung von demenzkranken Menschen vor allem nachts unzureichend gesichert ist", sagt der Kölner Pflegewissenschaftler Michael Isfort. "Diese Mangelsituation führt nicht selten zu unnötiger Verabreichung von Schlafmedikamenten und häufig zu fragwürdigen Fesselungen von Patienten."

Dabei gibt es wirksame Konzepte, um die Situation zu verbessern: Das Malteser Krankenhaus St. Hildegardis in Köln etwa hat seit 2009 eine Spezialstation eingerichtet. Station Silvia hat acht Betten. Es gibt einen Tagesraum, der gemütlich wie ein Wohnzimmer eingerichtet ist. Ein Farb- und Beleuchtungskonzept bietet Orientierungshilfe. Die Patienten sollen sich zu Hause fühlen.

Automatisches Screening ab 75

Die Malteser setzen zudem auf ein Demenzscreening aller Patienten über 75 Jahre. Alle Mitarbeiter sind nach dem schwedischen Konzept Silviahemmet (zu Deutsch: "Silviaheimat") geschult, das nach Königin Silvia benannt ist. Die Therapie findet möglichst im Stationsbereich statt.

"Wenn Patienten mit einer Demenzerkrankung sonst wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden, hat sich ihre Alltagsfähigkeit, Beweglichkeit und Wahrnehmung üblicherweise verschlechtert", sagt die Leiterin der Fachstelle Demenz der Malteser, Ursula Sottong. Doch durch die Behandlung auf der Spezialstation ergeben sich nach den vorläufigen Ergebnissen einer Studie deutliche Verbesserungen im Allgemeinzustand: Es gehe den Patienten besser als vorher; sie hätten an Beweglichkeit und Alltagskompetenz gewonnen, schreibt der Chefarzt der Station, Jochen G. Hoffmann, im Ärzteblatt. Aggressives Verhalten sei deutlich seltener. Körpernahe Fixierungen seien unnötig.

Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV) appellierte deshalb am Montag an die Politik, die Krankenhäuser beim Ausbau demenzsensibler Strukturen und bei der Ausbildung des Personals zu unterstützen. Notwendig sei eine bundesweite Anschubfinanzierung in Höhe von 600 Millionen Euro für alle Krankenhäuser, die sich in der Versorgung demenzkranker Patienten verstärkt engagieren wollen.


Quelle:
KNA