AOK registriert mehr Fehltage durch psychische Leiden

Ausgebrannte Arbeitnehmer

Depressionen oder psychische Erschöpfung setzen Arbeitnehmern verstärkt zu. Die Zahl der Fehltage infolge psychischer Erkrankungen steigt laut AOK seit Jahren. Und die Tendenz scheint ungebrochen.

Autor/in:
Anna Mertens
Patient mit einer Burn-out Erkrankung / © Patrick Pleul (dpa)
Patient mit einer Burn-out Erkrankung / © Patrick Pleul ( dpa )

Und plötzlich geht nichts mehr. Allein das Einschalten des Computers ist zu viel, ganz zu schweigen von arbeiten. Burnout kann die Diagnose lauten. Immer mehr Arbeitnehmer fühlen sich, wie aus dem an diesem Donnerstag in Berlin vorgestellten AOK-Fehlzeitenreport hervorgeht, psychisch und physisch erschöpft, ja ausgebrannt.

Allein von 2015 auf 2016 gingen die Arbeitsunfähigkeitstage infolge eines sogenannten Burnouts um 8,3 Tage in die Höhe. Seit 2007 haben sich die Fehltage pro 1.000 Versicherte beinahe vervierfacht auf knapp 110 Tage im Jahr.

Wachsendes Problem für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Psychische Leiden sind dem Bericht zufolge ein stark wachsendes Problem für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. In den vergangenen zehn Jahren nahmen Fehltage aufgrund psychischer Beschwerden bei den rund 12,5 Millionen AOK-Versicherten um 79,3 Prozent zu. Mit 25,7 Tagen je Fall dauerten die Krankheitsausfälle zudem mehr als doppelt so lange wie der Durchschnittkrankheitsfall mit 11,7 Tagen. Besonders gefährdet scheinen den Daten zufolge Altenpfleger, aber auch Lehrer oder Erzieher.

Dabei ist der Krankenstand der AOK-Versicherten als solches im Vergleich zum Vorjahr mit 5,3 Prozent stabil geblieben. Damit hat jeder Beschäftigte im Schnitt 19,4 Tage aufgrund einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Betrieb gefehlt. Rund ein Fünftel waren Muskel- und Skeletterkrankungen, gefolgt von Atemwegserkrankungen, Verletzungen, psychischen Erkrankungen sowie Kreislauf- und Verdauungsbeschwerden. Außer den psychischen Leiden verursachen laut Bericht vor allem Verletzungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Muskelerkrankungen lange Ausfallzeiten. Für die AOK umso mehr ein Grund, noch mehr auf Prävention zu setzen.

Meiste Fehltage in Herne

Aufgeschlüsselt nach den 50 einwohnerstärksten Städten in Deutschland gab es die meisten Fehltage in Herne, Gelsenkirchen und Hagen mit im Schnitt mehr als 24 Fehltagen im Jahr. Die Mehrzahl unter den ersten 15 Städten liegen im Ruhrgebiet und der Rhein-Ruhr-Metropolregion.

Die geringsten Fehlzeiten gab es indes in München mit 13,8 Tagen. Auch in Berlin, Hamburg und Köln sind die Ausfälle unterdurchschnittlich.

In diesem Jahr hat das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) sich über die alljährlichen Fehltage in einer repräsentativen Befragung von 2.000 Beschäftigten mit der Bedeutung von Lebenskrisen für Arbeitnehmer und Unternehmen beschäftigt. Demnach war die Hälfte der Erwerbstätigen in den vergangenen fünf Jahren von einem kritischen Lebensereignis betroffen. "Die Folgen sind für Beschäftigte und Arbeitgeber gravierend", sagte Helmut Schröder, Stellvertretender Geschäftsführer des WIdO. Auch da viele weiter zur Arbeit gingen und der "Präsentismus" unvorhersehbare Folgen hätte.

Am häufigsten gab es demnach Konflikte im privaten Umfeld (16 Prozent), eine schwere Erkrankung von Angehörigen (12 Prozent) und finanzielle Probleme (11 Prozent). Grundsätzlich nehmen mit dem Alter die Krisen zu, etwa Krankheits- oder Todesfälle in der Familie. Für Jüngere ist indes öfter eine unsichere finanzielle Situation eine Last.

Eingeschränkte Leistungsfähigkeit

Auch wenn der ein oder andere versucht, das Private und Berufliche strikt zu trennen, hinterlassen die kritischen Lebensereignisse doch Spuren - vor allem psychisch. So berichten laut AOK 58,7 Prozent von körperlichen und 79 Prozent von psychischen Problemen. In der Folge fühlten sich mehr als die Hälfte der Befragten durch die Krise in der eigenen Leistungsfähigkeit eingeschränkt (53,4 Prozent). Ähnlich viele Menschen gaben an, trotz einer Erkrankung in diesem Kontext zur Arbeit gegangen zu sein (48,8 Prozent). Mehr als ein Drittel meldete sich häufiger krank (34,1 Prozent).

Erfreulicherweise, so Schröder, sei die Bereitschaft der Arbeitnehmer ihre schwierige Situation anzusprechen groß. So gaben 80 Prozent an, im Unternehmen über die Lebenskrise gesprochen zu haben - vor allem mit Arbeitskollegen. Viele wenden sich demnach aber auch an den Chef.

Letzterer spielt aus Sicht von Schröder eine entscheidende Rolle, wenn es um Rücksichtnahme und Unterstützung gehe. Besonders in kleinen Unternehmen könne das noch deutlich besser werden.


Quelle:
KNA