Vor 40 Jahren wurde der Bürgerrechtler Steve Biko ermordet

Schrei nach Freiheit

Richard Attenboroughs "Schrei nach Freiheit" setzte ihm ein filmisches Denkmal. Dass der Bürgerrechtler Steve Biko mit nur 30 Jahren zum Schweigen gebracht wurde, hat sein Werk nur gefördert - und die Apartheid diskreditiert.

Rassentrennung in Südafrika / © KNA (KNA)
Rassentrennung in Südafrika / © KNA ( KNA )

Der 12. September 1977 war ein Trauma für die Schwarzen in Südafrika. Stephen Biko, einer ihrer letzten großen Hoffnungsträger im Kampf gegen die Apartheid, tot, gestorben in Polizeigewahrsam. An einem Hungerstreik, behauptete Justizminister Jimmy Kruger lange Zeit hartnäckig - so hartnäckig, dass erst recht niemand ihm mehr glauben konnte.

Viele Schwarzengührer in Haft gestorben

Zu viele Schwarzenführer waren binnen kurzem in Haft gestorben: "in der Dusche ausgerutscht", "von eigener Hand erdrosselt", so einige der offiziellen Todesursachen. Biko hatte bereits vor seiner Verhaftung erklärt, er selbst werde sein Leben im Gefängnis sicher nicht in Gefahr bringen. Und doch war er nun tot. Die Leiche wies überdeutliche Spuren von Gewaltanwendung auf.

Folterknechte hatte es viele gegeben: die weißen Gefängniswärter in Port Elizabeth, die Biko eine tödliche Gehirnverletzung und Schwellungen an der Lippe beibrachten; die weißen Ärzte, die ihn wider besseres Wissen für transportfähig erklärten; die weißen Fahrer, die ihm auf einer 1.200 Kilometer langen Fahrt, nackt auf die Pritsche eines Lieferwagens gekettet, über holprige Straßen zum Armeekrankenhaus von Pretoria den Rest gaben. Angeblich war kein Militärflugzeug frei gewesen.

Ein Schritt zu weit

Mit diesem politischen Mord war das System den berühmten Schritt zu weit gegangen. Biko, der 30-jährige Führer der "Black Consciousness"-Bewegung, hatte überall im Land Anhänger - so viele, dass man ihm sogar zutraute, bald die Fußstapfen des inhaftierten ANC-Führers Nelson Mandela auszufüllen. Wie kein anderer verstand Biko, die systematischen Drangsalierungen der Schwarzen durch die weiße Minderheit darzulegen und - selbst unter dem Druck der weißen Justiz - ohne Furcht anzuprangern: Ausschluss von Bildung, Passgesetze, Verfrachtung in Townships, Trennung von Familien, Zwangsumsiedlungen, Überwachung, Polizeigewalt, Zensur, Bann, willkürliches Einsperren ohne Gerichtsbeschluss.

Mit seiner Überzeugungskraft brachte Biko sogar einflussreiche Weiße im Kampf gegen die Rassentrennung auf seine Seite. Einer davon war Donald Woods (1933-2001), Chefredakteur der liberalen Tageszeitung "Daily Dispatch". Nach Bikos Tod verschaffte sich Woods mit einem Fotografen Zugang zum Leichenhaus in Pretoria und erzwang mit einer öffentlichen Kampagne eine offizielle Untersuchung im Gefängnis von Port Elizabeth. Kruger musste, peinlich genug, die wahre Todesursache "Gehirnverletzung" eingestehen. Trotzig verkündete er bei einer Parteiveranstaltung: "Bikos Tod lässt mich kalt."

Flucht im Priestergewand

Bei der Ausreise zu einer Vortragsreihe in den USA wurde Woods verhaftet und selbst mit der strengsten Form des Banns belegt: fünf Jahre Hausarrest und Publikationsverbot. Als die Drohungen und Angriffe auf seine Familie überhandnahmen, beschloss er, mit seiner Frau und den vier Kindern nach London zu fliehen. Die abenteuerliche Flucht im Priestergewand an Silvester 1977 gelang. Im Gepäck: sein Manuskript über die dramatischen Ereignisse um Steve Biko, mit dem er Südafrikas Regime endgültig die Maske der Rechtsstaatlichkeit abriss.

Die Ereignisse des 12. September 1977 verbreiteten sich rund um die Welt: Peter Gabriel sang 1980 in seinem Anti-Apartheid-Song "Biko": "Die Augen der Welt schauen jetzt ganz genau hin", und Denzel Washington wurde für seine eindrückliche Biko-Darstellung in Richard Attenboroughs Woods-Verfilmung "Schrei nach Freiheit" von 1987 für den Oscar nominiert. Die Wahrheitskommission verweigerte Bikos Mördern zwar 1999 trotz eines Teilgeständnisses die Amnestie. Zu einer Anklage kam es jedoch nie.

Fanal des Systems

Dennoch: Der Mord an Steve Biko wurde zum Fanal und zum Menetekel des Systems - ebenso wie das Massaker an den Schulkindern von Soweto ein Jahr zuvor. Zwar sollte es noch zwölf quälende Jahre dauern - doch seit dem 12. September 1977 war das südafrikanische Apartheid-System in der Meinung der Weltöffentlichkeit selbst mit dem Bann belegt. Es ging seinem schleichenden, aber sicheren Untergang entgegen.


Quelle:
KNA