Sozialdienst katholischer Frauen zum Tag des Alkoholgeschädigten Kindes

"In der Regel sind die Frauen nicht suchtkrank"

Ein Gläschen Wein kann doch nicht schaden, oder? Das denken viele schwangere Frauen. Doch schon geringe Mengen an Alkohol können das Baby im Bauch schädigen, sagt Anne Rossenbach, Referentin für Suchtprävention beim Sozialdienst katholischer Frauen.

Sieben Wochen alter Fötus in einer Fruchtblase / © Peter Endig (dpa)
Sieben Wochen alter Fötus in einer Fruchtblase / © Peter Endig ( dpa )

domradio.de: Schwangere Frauen, die sagen, sie trinken doch gerne mal ein Piccolöchen. Können Sie denen Entwarnung geben?

Anne Rossenbach (Referentin für Suchtprävention beim Sozialdienst katholischer Frauen): Ich kann da keine Entwarnung geben. Das ist eine sehr gefährliche Haltung, niemand weiß so genau, wann in einer Schwangerschaft eine Alkoholschädigung eintreten kann. Deshalb sagen wir, in der gesamten Schwangerschaft kein Alkohol.

domradio.de: Woran die Kinder dann leiden, nennt sich Fetales Alkoholsyndrom. Was bedeutet das denn genau?

Rossenbach: Das tritt in schweren Ausprägungen bei drei- bis viertausend Kindern pro Jahr auf. Das ist schon am Gesicht durch eine Deformation erkennbar. In der Mehrheit der Fälle, etwa zehntausend Kindern pro Jahr, sind es Entwicklungs- und Lernverzögerungen, vor allem auch psychische Auffälligkeiten wie aggressives Verhalten.

domradio.de: Sind das immer Kindern von Frauen die ein Alkoholproblem haben - also, Alkoholikerinnen sind?

Rossenbach: Nein, auf keinen Fall. Wie Sie eingangs sagten "mal ein Piccolöchen" oder ein Gläschen Rotwein oder "wir sind schon weit in der Schwangerschaft, also, kann man bei einer Vernissage mal einen Sekt trinken". Bei unserer Arbeit konnten wir feststellen, dass es eher Frauen sind, die so einen kleinen Tipp gekriegt haben. Bis in die 80er, 90er Jahre haben sogar Gynäkologen gesagt: "Ja, das ist ja nicht weiter schädlich." Oder nach der Geburt in der Stillzeit. Es ist eine sehr weitverbreitete Haltung, es ist sehr viel Unwissen. In der Regel sind die Frauen nicht suchtkrank, sie empfinden sich auch nicht als süchtig, deswegen macht es wenig Sinn, sie in die Suchthilfe zu vermitteln.

domradio.de: Wie versuchen Sie denn den Menschen klar zu machen, dass das kleine Sektchen nicht gut ist?

Rossenbach: Wir haben das in einem Modellprojekt erporbt, das finanziert wurde durch das Bundesgesundheitsministerium. Schwangerschaftsberatung ist ein relativ formalisierter Prozess. Und jetzt haben wir in diese Anmeldungsunterlagen einen kleinen Screeningbogen geschmuggelt, den die Frauen freiwillig ausfüllen können. Da geben sie an, ob sie schon mal in der Schwangerschaft getrunken haben, wieviel sie trinken, ob sie rauchen, ob sie andere Suchtstoffe nehmen. Diese Angaben werden genauso besprechbar, wie zum Beispiel Probleme mit dem Arbeitsplatz oder andere lebensverändernde Elemente, wozu man Beratung braucht. Mit den Frauen kann man in einer positiven und nicht abwertenden Form darüber reden.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR