Bundessozialgericht urteilt über Sozialbeiträge für Familien

Eltern finanziell überbelastet?

Rund 14 Millionen Eltern zahlen zu viel in die Sozialversicherungen ein. Das behaupten jedenfalls Familienverbände und ziehen damit bis vor das Bundesverfassungsgericht - mit katholischer Unterstüzung.

Autor/in:
Christoph Arens
Familien finanziell überbelastet? / © Ingo Wagner (dpa)
Familien finanziell überbelastet? / © Ingo Wagner ( dpa )

"Wir jammern nicht. Wir klagen." Unter diesem Motto haben sich Familienverbände und Eltern aus ganz Deutschland zusammengetan, um die ihrer Meinung nach ungerechte Architektur des Sozialstaats umzubauen.

Ihr Ziel: für Eltern mit Kindern eine Beitragsentlastung in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zu erstreiten. Ihr Argument: Der Staat beute Familien aus, weil sie zur Finanzierung von Renten-, Pflege- und Krankenversicherung überproportional zur Kasse gebeten werden. Jährlich 120 Milliarden Euro würden von Familien hin zu Kinderlosen verteilt.

Klagen durch die Instanzen

Seit mehr als zehn Jahren klagen sie sich durch die Instanzen - mit eher wechselhaftem Erfolg. Erst 2015 erlitt eine Familie in einer Musterklage vor dem Bundessozialgericht in Kassel eine herbe Niederlage. An diesem Donnerstag geht es vor demselben Gericht und derselben Kammer um dasselbe Thema: Zwei weitere Ehepaare aus Freiburg und dem nahe gelegenen Wittnau argumentieren, dass Eltern mit ihrer Erziehungsleistung schon einen großen Beitrag zur Finanzierung des Sozialsystems leisteten, aber genau so zur Kasse gebeten würden wie Kinderlose. Sie verlangen, nur die Hälfte der bisherigen Beiträge zahlen zu müssen, oder bei der Beitragsbemessung einen Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abziehen zu können (Aktenzeichen B 12 KR 13/15 R und B 12 KR 14/15 R).

Unterstützung vom Familienbund der Katholiken

werden die Kläger vom Familienbund der Katholiken in der Erzdiözese Freiburg. Einer der Prozessbevollmächtigten ist der frühere Darmstädter Sozialrichter Jürgen Borchert, ein Robin Hood für Familienrechte. Er hat 2001 das Pflegeversicherungsurteil des Bundesverfassungsgerichts erstritten, auf das sich die Familien seitdem berufen: Damals hatte Karlsruhe entschieden, dass Eltern in der Pflegeversicherung verfassungswidrig belastet werden. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, auch die Kranken- und Rentenversicherung auf die Frage der Familiengerechtigkeit hin zu prüfen. Seitdem müssen Kinderlose zumindest in der Pflegeversicherung einen höheren Beitrag zahlen als Eltern mit erziehungspflichtigen Kindern.

Dieser Spur folgte das Bundessozialgericht 2015 aber zur großen Enttäuschung der klagenden Eltern und der Familienverbände nicht. Die Richter bezeichneten die gegenwärtige Finanzierung als verfassungskonform und betonten, der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung des Sozialversicherungsrechts einen weiten Spielraum.

Eltern würden zudem durch Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung und die beitragsfreie Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung entlastet. Borchert sprach von einem "Skandalurteil".

Bisher noch kein Schlussstrich

Georg Zimmermann, Diözesangeschäftsführer des Familienbundes in Freiburg, räumt ein, dass sich das aktuelle Verfahren und das verlorene Verfahren von 2015 bis aufs Haar ähneln. Hoffnung schöpft er daraus, dass der zuständige 12. Senat des Bundessozialgerichts inzwischen einen neuen Vorsitzenden Richter hat, der als Berichterstatter beim Verfassungsgerichtsurteil von 2001 Einblick in die Materie gewonnen hatte.

Fest steht, dass der Kasseler Richterspruch noch keinen Schlussstrich bedeutet. Denn nach dem für sie negativen Urteil von 2015 strengten 376 betroffene Familien eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an. Unterstützt werden sie vom Deutschen Familienverband und vom Familienbund der Katholiken. Neue Munition geliefert hat den Eltern der am 1. Januar 2015 in Kraft getretene ersten Teil der Pflegereform und der dabei beschlossene Pflegevorsorgefonds. Seitdem werden 0,1 Prozentpunkte der Beiträge in diesem Fonds angelegt. Dort soll das Geld 20 Jahre lang angespart werden, um Beitragssteigerungen abzumildern, wenn ab 2034 die geburtenstarken Jahrgänge das 75. Lebensjahr erreichen.

"Dass unterhaltsverpflichtete Eltern in gleicher Weise in den Pflegevorsorgefonds einzahlen wie jeder andere auch, ist nicht hinnehmbar", erklärt der Präsident des Deutschen Familienverbands, Klaus Zeh. Eltern seien für die demografischen Probleme ja schließlich nicht verantwortlich.

 

Quelle:
KNA